
Das Leben in Nürnberg ist vielfältig. Und so spiegelt es sich auch in den Seniorenclubs der Stadt. Rund 200 solcher Vereinigungen gibt es. Sie haben unterschiedliche Traditionen und Programme. Aber auch eine große Gemeinsamkeit: Sie unterstützen ihre Mitglieder dabei, den Ruhestand spannend, aktiv und selbstbestimmt zu gestalten. Wir haben im Seniorenamt nachgefragt und drei Club-Verantwortliche besucht.
Die Nürnberger Seniorenpolitik folgt dem Leitbild »Aktives Alter und Engagement«. Anja-Maria Käßer, Leiterin des Seniorenamtes, ist deshalb froh über jede Initiative, durch die alte Menschen in Freundeskreise eingebunden sind. Teilhabe und Mitwirkung statt Einsamkeit – das nutzt auch der Gesellschaft. Aktive, gut betreute Seniorinnen und Senioren bleiben länger gesund. Der Bedarf für Pflege wird aufgeschoben oder entsteht gar nicht erst.
Die Liste der beim Seniorenamt gemeldeten Clubs vermittelt pure Vielfalt. Anja-Maria Käßer weiß von Vereinigungen mit mehr als 100 Mitgliedern. Zu anderen kämen nur fünf bis zwölf Menschen. Vielfach sind Seniorenclubs unter dem Dach eines Wohlfahrtsverbandes, von Kirchengemeinden beziehungsweise konfessionellen Einrichtungen organisiert. Es gibt gewerkschaftliche Pensionistenvereine, betriebliche Rentnergruppen oder auf den Stadtteil bezogene Initiativen. Weitere Organisationen haben kulturelle oder thematische Schwerpunkte oder wenden sich an ältere Menschen mit Migrationshintergrund.
Mehr Frauen als Männer
Im Durchschnitt bestehen elf Clubs pro Stadtteil. Dabei gibt es in der Altstadt und der engeren Innenstadt die größte Dichte. Vergleichsweise ausbaufähig erscheine das Angebot in der nordwestlichen Außenstadt, findet die Leiterin des Seniorenamtes. Insgesamt gehen mehr Frauen zu den Treffen der Seniorenclubs, wobei Angebote wie Videoclub oder Tischtennis eher die Männer ansprechen. Ein Teil der ehrenamtlichen Leiterinnen und Leiter wirken im Nürnberger Seniorenrat mit.
Zur Rolle des Seniorenamtes sagt Anja-Maria Käßer: »Wir schreiben den Clubs nichts vor. Sie gestalten ihre Arbeit selbst.« Die Behörde sieht sich als Helferin, Beraterin und Ideengeberin, sei es zu fachlichen Fragen, zur Öffentlichkeitsarbeit oder bei der Suche nach Veranstaltungsräumen. Sie fördert den gegenseitigen Austausch, etwa durch den alle zwei Jahre stattfindenden Seniorenclubleiter-Tag sowie den Seniorenclubleiter-Brief mit aktuellen Informationen aus der Arbeit der Treffpunkte.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Seniorenamtes besuchen Treffen von Clubs. Der Pflegestützpunkt ist mit Vorträgen eingebunden. Und das liebe Geld? Anerkannte Seniorenclubs können je nach Mitgliederzahl und Aktivität mit einer kleinen jährlichen Unterstützung von 100 bis 200 Euro rechnen.
Auch Spielen hält jung
»Der Stammtisch ist Familie.« Jürgen Müller sagt das mit hörbarer Genugtuung. Seit knapp acht Jahren organisiert er Treffen für Menschen in den Stadtteilen Röthenbach und Eibach. Geselligkeit, Kultur, Bildung, Sport und gemeinsames Spielen sind die Bestandteile des Programms.
Der gebürtige Braunschweiger ist berufsbedingt nach Nürnberg gezogen. Als Sachbearbeiter beim Eisenbahnbundesamt war der heute 73-Jährige für die Überwachung von Gefahrguttransporten zuständig. Seine Nachbarn kannte er nicht. Eine Situation, die ihm anlässlich seines Ruhestands so richtig bewusst wurde.
Auf der Suche nach einer ehrenamtlichen Aufgabe für seine neue Lebensphase fragte er beim Seniorenamt nach. Dabei erfuhr er von den Seniorennetzwerken und -stammtischen. Gemeinsamkeit schaffen, Einsamkeit überwinden: Dies wurde das zentrale Thema seines Engagements. Zusammen mit zwei Mitstreiterinnen gründete Müller den Stammtisch 60+. Dieser etablierte sich als »anerkannter Stammtisch« nach den Kriterien des Seniorenamtes. Der Status gilt, wenn zu mindestens zehn Treffen pro Jahr mindestens 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen, die über 55 Jahre alt sind.
Wer eine solche Runde leitet, kann sich in den Nürnberger Seniorenrat wählen lassen. Jürgen Müller nutzte diese Option. Er engagierte sich im dortigen Arbeitskreis Kultur und wirkte unter anderem an der Organisation der ersten Nürnberger Veranstaltung zum Weltseniorentag mit.
Jeden Monat kommen ein bis zwei Neue
Am Stammtisch treffen sich jeweils am letzten Donnerstag im Monat um die 25 Personen. Im Wechsel ist das Treffen im Kulturladen Röthenbach und im Sportheim der DJK Eibach. Die Teilnehmer sind zwischen 70 und 95 Jahre alt, der Schwerpunkt liegt bei zirka 75 Jahren. Rund 80 Prozent sind Frauen. Und dank kontinuierlicher Werbung in Vor-Ort-Medien »kommen jeden Monat ein bis zwei Neue«, sagt Müller. Die Atmosphäre sei freundlich, politische Debatten gibt es an diesem Stammtisch nicht. Dafür Vorträge über Reisen, Ausflüge oder Bowling im Röthenbacher Einkaufszentrum.
Ein zweiter Teil von Jürgen Müllers Arbeit sind die Spiele-Nachmittage. Zwei Mal pro Woche treffen sich 10 bis 15 Nachbarn zu Rummykub, Skat oder Schafkopf. Die Gruppe ist neugierig. So ließ sie sich von Mitarbeitern des Nürnberger Spielearchivs neue Brett- und Kartenspiele zu zeigen.
Das Stammtisch-Team sucht ständig nach Ideen, wie anderen Seniorinnen und Senioren spannende und an deren gesundheitliche Situation angepasste Erfahrungen geboten werden können. Beispiel: Weil die Zahl der Gehbehinderten wächst, soll es im Kulturladen Stadtteil-bezogene Foto-Führungen geben.
Der Marathon-Mann aus Katzwang
Umtriebig. Mit diesem Begriff ist der ehrenamtliche Einsatz von Erwin Reitenspieß nur unzureichend beschrieben. Der Katzwanger leitet nicht bloß die Seniorengemeinschaft in der Gewerkschaft ver.di, sondern organisiert seit Jahren das Bürgerfest im Stadtteil, redet in Bürgerverein und SPD-Ortsverein mit, ist im Nürnberger Seniorenrat engagiert und macht noch einiges mehr. Und wie er all das im Gespräch schildert, möchte man nicht glauben, dass da ein 90-Jähriger spricht.
In seinem Leben war und ist ehrenamtliche Arbeit der Normalfall. Bereits im Alter von 14 Jahren bekam Reitenspieß eine erste Aufgabe. Der Schusterlehrling wurde Ballwart beim TSV Katzwang. Die damaligen Lederbälle waren kostbar. Ein junger Mann, der sie mit geschickten Fingern reparieren konnte, war da hoch willkommen.
Der heutige gewerkschaftliche Seniorenclub geht zurück auf die 1966 gegründete Seniorengruppe der ehemaligen Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr (ÖTV). Erwin Reitenspieß und seine heute 87-jährige Ehefrau Marga sind 1998 dazugestoßen. Die Vereinigung zählt 26 Mitglieder, überwiegend Ehemalige von Stadtverwaltung und Klinkum, die meisten im Alter von 75 bis 85 Jahren. Gäste sind bei den Treffen immer willkommen.
Begegnungen mit interessanten Zeitgenossen
Das Jahresprogramm für 2025 weist 19 Veranstaltungen auf. Jeweils am zweiten Mittwoch des Monats trifft sich die Gemeinschaft in dem hinter dem Hauptbahnhof gelegenen Hotel Merkur. Geboten werden hier Vorträge sowie Begegnungen mit interessanten Zeitgenossen wie etwa dem Ex-Präsidenten der SpVgg Greuther Fürth, Helmut Hack, dem SPD-Bundespolitiker Carsten Träger oder dem Kinderliedermacher Gerd Graßhauser alias Geraldino. Es gibt auch aktuelle Berichte aus Behinderten- und Stadtseniorenrat. In Letzterem engagiert sich Erwin Reitenspieß im Arbeitskreis Wohnen.
Ausflüge gehören dazu. In diesem Jahr wurden bereits das Kitzinger Fastnachtsmuseum und das Fürther Rundfunkmuseum besucht. Im Oktober geht es zum Karpfenessen nach Bubenreuth.
Die ver.di-Seniorengemeinschaft steht beispielhaft dafür, wie sehr es in Vereinen auf einzelne Ehrenamtliche oder eben auf den Mann oder die Frau an der Spitze ankommt. So lautet ihre Internet-Adresse www.reitenspiess.net. Der 90-jährige Clubleiter und vormalige Mitarbeiter der Kfz-Zulassungsstelle dürfte zu den Internet-affinsten Senioren der Stadt zählen. Er hat im Jahr 2000 den Computerclub 50plus mitgegründet und war bis zum Jahr 2019 ein beliebter Kursleiter.
Im Stadtteil ist Erwin Reitenspieß bekannt wie ein bunter Hund. Er genießt das sichtlich. Die Frage, wie sein enormes Engagement im hohen Alter möglich ist, beantwortet er mit einem von Jean Paul entliehenen Wahlspruch: »Man sollte nicht vom Zeitvertreib reden, sondern vom Zeitgenuss.« Er selbst sagt: »Zwei Jahre mache ich noch.«
Text: Klaus Schrage
Fotos: Claus Felix




