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Volksbühne bietet viel Kultur für wenig Geld

Das Führungstrio der Volksbühne Nürnberg: Annette Dahms, Renate Popp und Justine Wazansky-Krack (v.li.). Der Verein bietet verbilligte Kultur-Abos an.

Kultur für alle. Dieser Satz fasst ein wesentliches Merkmal der Volksbühne Nürnberg zusammen. Breite Auswahl, wenig Bürokratie, geringer Mitgliedsbeitrag und stark vergünstigte Eintrittskarten sind die Kennzeichen des Angebots. Seit 1993 stellt der eingetragene Verein ein vielfältiges Kultur-Programm verschiedener Spielstätten und Sparten zusammen. Er erreicht damit ein treues Publikum von zuletzt rund 250 zahlenden Mitgliedern, die Hälfte davon als Abonnenten.

Im Jahr 1890 ist in Berlin der erste derartige Verein in Deutschland gegründet worden. Unter dem Motto »Die Kunst dem Volke« war es Hauptziel der Freien Volksbühne, das Kultur- und Bildungsmonopol des Bürgertums zu brechen. Auch einfache Leute sollten sich Theaterbesuche leisten können. Die aufgeführten Stücke sollten sozialkritisch sein und die Bedürfnisse der Arbeiterklasse widerspiegeln. Und die Mitglieder waren solidarisch: Die Eintrittskarten wurden in Anwesenheit der Mitglieder verlost. Nicht jeder kam zum Zug.

1920 wurde der erste Verband gegründet

In den Folgejahren, und insbesondere nach dem Zusammenbruch des deutschen Kaiserreichs, breitete sich die Volksbühnen-Idee in ganz Deutschland aus. 1920 wurde der Verband der deutschen Volksbühne-Vereine gegründet. Er heißt heute Bund Deutscher Volksbühnen und ist die Dachorganisation für 36 von insgesamt 54 Vereinen. Er bietet Unterstützung in juristischen Fragen, gibt Tipps für die interne Organisation wie auch für den Auftritt nach außen. Die Vernetzung der Vereine hilft beim Entwickeln von Ideen für Veranstaltungen.

Nürnberg war im Jahr 1920 nicht dabei, berichtet die hiesige Vorsitzende Renate Popp. Die Arbeiterschaft der Frankenmetropole war mehr an starken Sportvereinen interessiert. Zugleich erlebte die Erwachsenenbildung eine große Blüte. Auch hier ging es um die Emanzipation der einfachen Menschen. Im Nationalsozialismus wurden die Volksbühnen aufgelöst. Der Neustart nach dem Zweiten Weltkrieg war nicht überall schnell und erfolgreich geglückt.

Stadt Nürnberg war eine Spätzünderin

Die Volksbühne Nürnberg e.V. jedenfalls ist mit ihrem Gründungsjahr 1993 eine veritable Spätzünderin. Wichtigste treibende Kraft für diese Idee war der politisch hoch engagierte Schauspieler Erich Ude. In längeren Gesprächen ist es ihm und einigen Engagierten gelungen, die damaligen städtischen Bühnen und danach den DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) sowie dessen Einzelgewerkschaften als Verbündete zu gewinnen. Auch in der SPD gab es aktive Unterstützer.

Zu den Aktiven der ersten Stunde gehörte auch Udes Witwe Annette Dahms. Die heutige ehrenamtliche Geschäftsführerin der Volksbühne war in der DGB-Jugend engagiert. Diese war in den 1980er Jahren stark in Sachen Bildung und Kultur. Unter anderem wurde ein eigenes Straßen-Theater geboten. Schon damals, so Dahms, gab es die Idee, dass man sich mit solchen Aktionen auch an die Erwachsenen wenden sollte.

Jedenfalls gelang der Start der Nürnberger Volksbühne mit damals 80 Mitgliedern. Die Idee passte in die Zeit, denn zehn Jahre später waren es 430. Seitdem gab es einen Rückgang, in den letzten Jahren waren die Zahlen aber stabil. Die Interessierten-Datei enthält 350 Mailadressen.

Eingespieltes Führungs-Team

Geführt wird der Verein von einem erfahrenen Trio. Renate Popp, heute 69 Jahre alt, ist Vorsitzende seit der Gründung. Neben Geschäftsführerin Annette Dahms (76) ist es Justine Wazansky-Krack (75), die sich besonders um die Betreuung der Mitglieder kümmert. Auch sie ist seit der Anfangsphase dabei. Insgesamt sind zirka 15 ehrenamtlich Aktive an Bord.

Die ursprüngliche Idee der Volksbühnen als basisdemokratische Organistion wird in der Noris bewusst gepflegt. Das beginnt beim Mitgliedsbeitrag, der für Abonnenten lediglich sechs Euro pro Jahr beträgt. Fördermitglieder sind mit zehn Euro dabei. Gearbeitet wird ehrenamtlich, anders als in anderen Großstädten wie etwa München. Dort versteht sich die Volksbühne als hauptamtlich geführte Kulturvermittlerin, die ihren 1000 Mitgliedern verbilligte Eintrittskarten zukommen lässt. Der Jahresbeitrag liegt hier bei 50 Euro.

30 Prozent Rabatt auf den Normalpreis 

In Nürnberg beträgt der Rabatt auf den Normalpreis 30 Prozent. Für welche Stücke in welchen Spielstätten das Angebot gilt, wird aber nicht vom Vorstand entschieden, sondern bei der Jahreshauptversammlung. Die anwesenden Mitglieder bekommen die Angebote der Häuser vorgelegt und einigen sich auf vier Abonnements sowie auf einige Einzelveranstaltungen, die Interessierte bis Ende Oktober buchen können.

Das Abo »Musiktheater« bietet fünf Vorstellungen im Opernhaus und ein Konzert des Philharmonischen Chores. Das Abo »Sprechtheater« mit neun Terminen spielt sich haupsächlich im Staatstheater ab, bietet aber auch drei Aufführungen in der Tafelhalle, im Loni-Übler-Haus und im Theater Salz+Pfeffer.

Gut nachgefragt ist das so genannte »Mix-Abo«. Ganz im Sinne der Volksbühnen-Idee, einen möglichst breiten Zugang zur Kultur zu ermöglichen, geht es hier quer durch die Sparten. Neben den Häusern des Staatstheaters und dem Loni-Übler-Haus (Schwerpunkt Frauen-Kabarett) sind hier auch das Gostner Hoftheater und die Rote Bühne dabei. Das Abo »Wieder und neu« beinhaltet Wiederaufnahmen von beliebten Stücken. Und es gibt ein fünftes Abonnenment. Unter dem Stichwort »Selfmade« können hier aus dem gesamten Angebot vier Vorstellungen zum Preis von 100 Euro gebucht werden. Und: Sämtliche Angebote gelten für zwei Personen.

Offen für Ideen und neue Kooperationen

Stolz ist die Vereinsspitze auf weitere Kooperationen. So wurden mit dem Filmhaus drei gemeinsame Termine vereinbart. Und es wird zwei Lesungen in Zusammenarbeit mit dem Verband der Schriftsteller und Schriftstellerinnen in ver.di geben.

Der Laden läuft. Dieser Eindruck ist da, wenn man dem Führungs-Trio Popp, Dahms und Wazansky-Krack zuhört. Die Kultur-Anbieter schätzen es, dass sie durch die Volksbühne ein nicht typisch bildungsbürgerliches Publikum bekommen. Die Mitglieder wiederum schätzen die nutzerfreundliche Arbeitsweise. Die Tickets werden per Post zugestellt. Terminverlegungen sind unbürokratisch möglich – und das aus Prinzip. Denn zur Zielgruppe gehören auch Menschen, die Schicht arbeiten.

Gibt es auch neue Pläne? Renate Popp und ihre Mitstreiterinnen bejahen das. Man sei immer offen für Ideen oder Kooperationen. Das Stadttheater Fürth wäre ein interessanter Partner. Ganz konkret wird an einer eigenen Homepage gearbeitet. Sie soll in diesem Herbst fertig werden.

Ob es klappt, war zum Zeitpunkt unseres Gesprächs noch ungewiss. Für alle, die neugierig geworden sind: eine Mail an volksbuehne-nuernberg@gmx.de. Das Team antwortet bestimmt, ganz unbürokratisch.

Text: Klaus Schrage
Foto: Mile Cindric

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