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Wie gefährlich ist Brustkrebs im Alter?

Dr. Ramona Herrmann stellt die Vorteile des ­Brustscreenings vor.

Künftig können auch Frauen zwischen 70 und 75 Jahren alle zwei Jahre eine kostenlose Mammographie-Untersuchung zur Brustkrebsvorsorge nutzen. Bisher lag die Altersgrenze für das Screening bei 69 Jahren.

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen, jährlich erkranken 70.000 Betroffene neu daran. Dr. Ramona Herrmann, Frauenärztin und Leiterin der Brustsprechstunde am MVZ Gynäkologie und Geburtshilfe am St. Theresien-Krankenhaus Nürnberg, macht das Risiko noch anschaulicher: »Jede achte Frau erkrankt im Lauf ihres Lebens an Brustkrebs, am häufigsten sind Frauen in den 60-ern betroffen.« Eine gute Nachricht hat sie aber auch parat. »Brustkrebs ist inzwischen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit heilbar. Je früher der Krebs entdeckt wird, umso günstiger ist die Prognose und umso schonender kann die Behandlung verlaufen.«

Eine wichtige Rolle bei der Früherkennung spielt das Mammographie-Screening. »Mit dieser Röntgenuntersuchung lassen sich oft selbst sehr kleine Tumoren oder auch Mikrokalk, das ist eine Vorstufe von Krebs, in der Brust erkennen«, erläutert Ramona Herrmann. Mit einer Tastuntersuchung oder mit Ultraschall wären dies Auffälligkeiten meist nicht zu entdecken. Bislang wurden Frauen zwischen 50 und 69 Jahren schriftlich alle zwei Jahre zu diesem Screening eingeladen. Der Gemeinsame Bundesausschuss – er ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen – hat nun nach einer Risikoabwägung beschlossen, dass voraussichtlich ab 1. Juli 2024 auch 70- bis 75-Jährige die Früherkennung nutzen können, weil bei den Teilnehmerinnen der Schaden der Untersuchung durch den Nutzen aufgewogen wird.

Frauenärztin Herrmann ist eine große Verfechterin des Screenings. Aber es komme vor, dass die Mammographie »zu falsch positiven Ergebnissen oder zu einer Überdiagnose führen kann, was für die betroffenen Frauen natürlich sehr belastend ist«. Und die Strahlenbelastung bei der Röntgenuntersuchung selbst könne dazu beitragen, dass Brustkrebs überhaupt erst entsteht, meint Herrmann. Ein Blick auf Zahlen hilft bei der Einschätzung weiter: Von 1000 Frauen, die an dem Screening teilnehmen, wird im Durchschnitt bei 30 ein auffälliger Befund festgestellt. Bei elf von ihnen werden noch Gewebeproben entnommen, die dann bei sechs Frauen zur Diagnose Brustkrebs führen.

Risiko der Überdiagnose

Besonders bei älteren Frauen besteht das Risiko einer Überdiagnose. Zum Beispiel, wenn bei einer 65-jährigen Frau ein sehr langsam wachsender Tumor entdeckt wird, der ihr zu Lebzeiten nie Probleme bereitet hätte. Wenn sie zehn Jahre später an einem Herzinfarkt stirbt, dann hätte die Früherkennung ihre Lebenserwartung nicht verändern können. Aber die Patientin musste unnötige, belastende Behandlungen und viele Ängste auf sich nehmen. Es gleicht einer Gratwanderung, verlässlich vorherzusagen, bei welcher Frau der Brustkrebs keine Beschwerde hervorgerufen hätte und bei welcher doch.

Ramona Herrmann gibt trotz möglicher Nachteile eine klare Empfehlung für das Screening, auch für die Altersgruppe der 70- bis 75-Jährigen. »Natürlich muss das jede Frau selbst entscheiden. Aber die Diagnose Brustkrebs bedeutet heute nicht mehr automatisch mehr das Schema Operation und Chemo. Es gibt inzwischen unzählige, auch schonendere Therapiemöglichkeiten.« Stellt sich zum Beispiel heraus, dass eine Krebskranke nur wenig von einer Chemotherapie profitieren würde, raten die meisten Ärztinnen und Ärzte heute auch nicht mehr dazu, ergänzt die Gynäkologin.

Durch die neue Altersgrenze haben 2,5 Millionen mehr Frauen Anspruch auf das Screening-Programm. Deshalb wird es einige Zeit dauern, bis es mit einer schriftlichen Einladung klappen wird. Wer 2024 dennoch teilnehmen möchte, muss deshalb selbst aktiv werden. Voraussichtlich ab 1. Juli lässt sich bei den sogenannten Zentralen Stellen Mammographie-Screening ein Termin vereinbaren. Für Bayern ist dies unter der Telefonnummer 089/5454640200 oder über die Website www.mammo-programm.de möglich. Voraussetzung für eine Anmeldung ist, dass die letzte Mammographie bei der Terminanfrage mindestens 22 Monate zurückliegt.

Bei einem verdächtigen Befund ist eine Mammographie natürlich immer möglich, dafür gelten keinerlei Altersgrenzen. Herrmann rät, die Brust selbst regelmäßig einmal im Monat unter der Dusche abzutasten und im Spiegel auf mögliche Verformungen oder Hautveränderungen zu achten. Wer an dem Screening teilnimmt, sollte in dem Jahr ohne Mammographie außerdem eine Ultraschall-Untersuchung machen lassen, die allerdings selbst bezahlt werden muss. Vor allem Frauen, in deren Familie Mammakarzinome schon häufiger aufgetreten sind, sollten aufmerksam sein und ihren Arzt oder ihre Ärztin auf das dann stark erhöhte Risiko ansprechen.

Übrigens sollten auch Männer auf mögliche Veränderungen an ihrer Brust achten. Denn auch wenn sie nur relativ wenig Brustgewebe haben, können sie an Brustkrebs erkranken. Jedes Jahr werden etwa 700 Männer mit dieser Diagnose konfrontiert.

Text: Karin Winkler
Foto: St. Theresien-Krankenhaus

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