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Junge Unternehmer machen das Häkeln und Stricken wieder populär

Die Jugend hat in den vergangenen Jahren ein Hobby wiederentdeckt, das lange als angestaubt und höchstens noch für Omas interessant galt. Die Einstellung zu Häkeln, Stricken und Sticken hat sich innerhalb von drei Generationen mehrmals grundlegend gewandelt. Heute bringt das textile Gestalten vor allem Großeltern und Enkel zusammen, während die mittlere Generation den traditionellen Wollmustern distanziert gegenübersteht.

Die Jugend hat in den vergangenen Jahren ein Hobby wiederentdeckt, das lange als angestaubt und höchstens noch für Omas interessant galt. Die Einstellung zu Häkeln, Stricken und Sticken hat sich innerhalb von drei Generationen mehrmals grundlegend gewandelt. Heute bringt das textile Gestalten vor allem Großeltern und Enkel zusammen, während die mittlere Generation den traditionellen Wollmustern distanziert gegenübersteht.

handarbeit-haekelomasOb die Jahrgänge 1970 bis 1990 tatsächlich völlig frei von diesen Kulturtechniken aufgewachsen sind, darf bezweifelt werden. Schließlich gehören die MyBoshi-Gründer Felix Rohland und Thomas Jaenisch ebenfalls zur »H&M-Generation«, wie sie Angela Probst-Bajak, Sprecherin der Initiative Handarbeit, bezeichnet. Nach den strickwütigen Grünen, die Handarbeiten fast zu einer politischen Tätigkeit machten, verschwand das Hobby fast zwei Jahrzehnte in der Versenkung.

In der Zwischenzeit wuchs eine konsumfreudige Jugend auf, die gerne billige Kleidung von Großanbietern kauft. Meist werfen sie die modischen Stücke nach einer Saison aus dem Kleiderschrank. Keine Spur mehr vom Wert der Kleidung, wie ihn die Großeltern empfanden, wenn sie sich einen Anzug oder ein Kostüm fürs Leben anschafften oder selber schneiderten. Das war vor 60 oder 70 Jahren ja auch viel preiswerter, als Mode fertig zu kaufen.

Das Spar-Argument lockt heute niemand mehr an Strick- oder Häkelnadel. Auch Wolle hat ihren Preis, vor allem, wenn sie aus Naturstoffen ist. Inzwischen ist es der Wunsch nach Individualität und Nachhaltigkeit, der MyBoshi und Kollegen zu Kundschaft verhilft. Wobei die Häkelmützen, die von den beiden Gründern aus Konradsreuth in Oberfranken zunächst als zentrale Ware angeboten wurden, inzwischen eher eine untergeordnete Rolle spielen. Schließlich liegt es schon sechs Jahre zurück, dass Felix Rohland und Thomas Jaenisch die Idee bei einem Japan-Aufenthalt mitbrachten und den Häkelboom befeuerten.

Ob sie ihn hierzulande nicht sogar ausgelöst haben, darüber streiten die Experten. Thomas Jaenisch erhebt keinen Anspruch auf die Vorreiterrolle. Ihm ist es wichtig, dass sich ihr Unternehmen weiter entwickelt. Dabei sind die Häkelomas eine wichtige Komponente. Denn die zwei Jungunternehmer entdeckten früh das Potenzial, das in der älteren Generation schlummert. Also heuerten sie ältere Frauen in der Region an, um die Aufträge abzuarbeiten. Manche der Seniorinnen waren froh über den Zusatzverdienst. Andere freuten sich über eine sinnvolle Beschäftigung. Der Stamm von etwa 30 Omas ist relativ stabil geblieben, sagt Jaenisch. Bewerbungen müsse MyBoshi häufig ablehnen, weil die Kapazitäten in der Regel ausreichen.

Das handhabt eine andere Gründerin in der Branche etwas anders. Verena Pröschel hat ihr Start-Up MyOma 2011 mit zwei Mitstreitern ins Leben gerufen. Inzwischen ist ein Netzwerk von rund 100 älteren Frauen für das junge Unternehmen aus Fürth tätig. Diese arbeiten anders als bei MyBoshi nicht überwiegend Bestellungen ab, sondern bieten ihre selbstgefertigte Ware über das zentrale Internetportal von MyOma an. Natürlich gebe es auch mal Sonderaufträge, sagt Pröschel. In erster Linie ist es der 35-jährigen Chefin aber wichtig, Älteren eine Beschäftigung zu geben. Deswegen dürfen die Mitwirkenden nicht jünger als 55 Jahre sein.
Mit verschiedenen Benefiz-Aktivitäten lockt Verena Pröschel auch diejenigen Strickomas, die nicht unmittelbar für den Verkauf fertigen möchten. Viele beteiligen sich gerne ehrenamtlich an Spendenaktionen für Hilfsorganisationen.

Das Image aufwerten
Auch die Initiative Handarbeit bietet einen zentralen Tag an, an dem selbstgemachte Werke einem guten Zweck zugeführt werden. Der Interessenverband hat sich um das Jahr 2000 herum gegründet, um das Image des Handarbeitens wieder aufzuwerten. Etwa 20 Mitgliedsfirmen zählt das Netzwerk. Auch sie organisieren Übergaben an die Tafel oder andere soziale Einrichtungen vor Ort. Ihr Hauptanliegen ist es aber, Menschen zum Handarbeiten zu motivieren. Als Anregung stellt die Initiative kostenlos auf ihrer sehr ansprechenden Homepage Strick-, Häkel- und Nähanleitungen zur Verfügung.

Erst vor kurzem wurde die Seite für Kinder überarbeitet. Sie spricht sechs- bis elfjährige Jungen und Mädchen an, sagt Angela Probst-Bajak. Sie weiß, dass Kinder häufig selbst mit dem Tablet ihrer Eltern auf die Seite surfen. Doch um die Anleitungen auf der »Knitti-Webseite« wirklich umzusetzen, ist die Hilfe einer Oma oder eines Opas sicher sehr erwünscht. Dann gelingen die Geldbörse, der lustige Haarreif oder das Filzkörbchen auch so, wie es sich die Kinder wünschen.
Gerade weil in Schulen Handarbeit eher auf dem Rückzug ist, wirbt die Sprecherin des Lobbyverbands, Angela Probst-Bajak, für die Weitergabe von praktischem Wissen innerhalb der Familie. Zumal die Großeltern noch wissen, wie es geht. Und sie wissen auch, dass Häkeln, Stricken und Sticken nicht nur Geschicklichkeit und Geduld fördern, sondern auch zufrieden machen.

Stricken als sinnstiftende Tätigkeit
Hier treffen sich die Motive der jüngeren und der älteren Handarbeitsfans. Denn auch die Vertreter der Generation Y mit 20 plus sehnen sich nach einem Gegengewicht zur virtuellen Welt. Dies sei durch Handarbeiten gegeben, betont Angela Probst-Bajak. In einer fragmentierten Welt, wo nur noch wenig aus einem Guss zu sein scheint und zu Ende gebracht wird, ist das Anfertigen einer Mütze oder eines Schals eine sinnstiftende Tätigkeit. Das Ergebnis sieht man, und man kann sich damit sehen lassen.

Anders als bei der Großelterngeneration tritt auch der Anspruch, ein perfektes Ergebnis zu erzielen, in den Hintergrund. Spaß statt Leistungsdruck heißt die Devise bei den Kunden von MyBoshis Lieblingswolle Nummer 2. Diese besteht aus Baumwolle und der Pflanzenfaser Kapok. Sie ist wirklich vegan, weil kein Schaf mehr dafür geschoren werden muss. Die Unternehmer aus Oberfranken achten auch auf die Verwendung von Farben, die ohne Tierversuche auf ihre Verträglichkeit getestet wurden, und sie arbeiten daran, dass ihre Kunden eines Tages die Produktionskette von der Pflanze oder vom Tier bis zum Onlineversand lückenlos im Internet nachvollziehen können.

Diesen Anspruch haben ihre Häkelomas sicher nicht. Aber über den Kontakt zu den Jüngeren freuen sie sich, erzählt MyBoshis-Gründer Thomas Jaenisch. Er und sein Kompagnon Felix seien eine Art »Ersatzenkel« geworden. So kommen sie häufig auf einen Kaffee vorbei, um zu schauen, wie es ihren älteren Mitarbeiterinnen geht. Und da sie selber keine leiblichen Omas mehr haben, füllt die generationenübergreifende Arbeit mehr als nur eine Marktlücke. Zumal ihre Boshis zwar von Älteren gefertigt werden, aber fast ausnahmslos die Köpfe junger Leute zieren.

Petra Nossek-Bock

Kontakte

Die Seite der Initiative Handarbeit: www.initiative-handarbeit.de

MyOma erreichen Sie über Verena Pröschel, Tel.: 0911 / 31 04 45 55 und im Internet: www.myoma.de

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