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Wer hat noch Bock aufs Karteln?

Millionen Menschen schauen regelmäßig ins »Gebetbuch des Teufels«. So hießen in puritanischen Kreisen bis ins 20. Jahrhundert hinein die Spielkarten. Die Freude empfinden viele noch bis ins hohe Alter. Das Magazin sechs+sechzig war bei verschiedenen Runden kiebitzen – beim Skat und beim Bridge.
Beim Bridge-Spiel mit Ernst O. Krakenberger (Zweiter von links) geht es manchmal auch lustig zu. Foto: Mile Cindric
Beim Bridge-Spiel mit Ernst O. Krakenberger (Zweiter von links) geht es manchmal auch lustig zu. Foto: Mile Cindric

Millionen Menschen schauen regelmäßig ins »Gebetbuch des Teufels«. So hießen in puritanischen Kreisen bis ins 20. Jahrhundert hinein die Spielkarten. Die Freude empfinden viele noch bis ins hohe Alter. Das Magazin sechs+sechzig war bei verschiedenen Runden kiebitzen – beim Skat und beim Bridge.

Ein Nachmittag in der Vereinsgaststätte der Spielvereinigung Erlangen im Röthelheimpark: Drei Kartelrunden älterer Herren kommen zusammen, zwei spielen Schafkopf, eine Skat. Die Skatspieler spielen seit Januar 2014 dort. »Wir haben uns von Anfang an gut verstanden«, sagt Günther Schmidt, der rund um die Treffen alles organisiert, »und uns sofort geduzt. Wir kennen nur Vornamen.« Sechs Stammspieler gehören der Runde an: Jan, Eckehard, Manfred, Uli, Roland und Günther. Man trifft sich regelmäßig in der Gaststätte. Damit ist schon eine Funktion des Spiels erklärt: Es festigt soziale Bindungen.

»Wir sehen Skat auch als Denkspiel, um uns geistig fit zu halten«, betont Günther Schmidt. Den Teilnehmern, die zwischen 69 und 82 Jahre alt sind, sieht man an, dass ihnen das gelungen ist. Und warum Skat? »Schauen Sie sich uns mal an. Wir sind drei Norddeutsche, zwei Sachsen und ein Thüringer, aber es ist kein Franke dabei.« Das habe einen einfachen Grund: Die Franken unter den Älteren wollten nur Schafkopf spielen.

Dann geht es los. Ausgeben, Reizen, Jan spielt Kreuz, einfaches Spiel, kein Kommentar. Im Verlauf der Runde, nach einem Grand und verlorenen Spielen, wird dann doch lebhafter diskutiert: Wer hätte wann welche Karte bringen müssen, um zu gewinnen? Es gibt Millionen Varianten, klärt Günther Schmidt auf, da kann man viel falsch machen. Er schreibt die Punkte auf, kassiert am Schluss, das Geld kommt in eine Schatulle – und am Jahresende gehen die sechs mit diesem Geld gemeinsam essen.

Was halten die Skatspieler, die an diesem Nachmittag mit Vergnügen zocken, von Bridge? Achselzucken, das kennen sie nur dem Namen nach. Dabei ist Bridge ein Kartenspiel, das Millionen Menschen auf der Welt begeistert. Die Grundregeln sind nicht allzu kompliziert (siehe die Spielregeln auf der nächsten Seite), aber damit kommt man nicht weit. Weil es kein Glücksspiel ist, sondern ein Sport, bei dem Technik und Strategie eine große Rolle spielen, kommt es nicht aufs Kartenglück, sondern aufs Können an. Auch gibt es im Gegensatz etwa zu Skat keine Zufälle durch ständig neues Mischen. Für jedes einzelne Spiel wird ein schon vor der Partie gemischter neuer Satz Karten verwendet und anschließend wieder abgelegt.

»Der Ausspruch ›Ich habe schlechte Karten‹ kann vom Bridge nicht kommen«, sagt Ernst Krakenberger, der selbst seit Jahren leidenschaftlich spielt, zu Hause mit seiner Frau und Freunden sowie in der Regel drei Mal wöchentlich im 1. Bridge-Club Nürnberg-Fürth. Daneben gibt es in der Region noch den Bridgeclub Nürnberg Gesellschaft Museum. In beiden überwiegen die Älteren.

Am Anfang ist man ganz schlecht

Die Theorie des Bridge-Spiels mit allen Finessen füllt schon bei der Internet-Enzyklopädie Wikipedia unzählige Zeilen. Der Laie muss einfach mal bei einer Partie zuschauen, um etwas von der Magie des Spiels erahnen zu können – und davon, wie frustrierend es für Anfänger ist, im wahrsten Wortsinne nicht mitmischen zu können. »Am Anfang ist man ganz schlecht«, weiß Krakenbergers Frau Ursula, die sich von der Spielleidenschaft ihres Mannes hat anstecken lassen, »aber man lernt schnell, wie gut Bridge für Konzentration und Gedächtnis ist, aber auch für Geselligkeit und Teamgeist.«

Wenn bei Krakenbergers zu Hause gespielt wird, geht es nicht so streng zu wie im Club oder gar bei Turnieren. Da fallen schon mal beifällige oder ironische Kommentare, erst recht, wenn ein weitgehend ahnungsloser Kiebitz mit am Tisch sitzt, dem die Runde erklären muss, was gerade läuft.

Bevor die vier Spieler an diesem Nachmittag Platz nehmen, hat der Hausherr den Tisch vorbereitet: Jede(r) bekommt für jedes Spiel Kartensätze (Boards) zu je 52 Karten, außerdem sogenannte Bidding-Boxen. Sie enthalten die Karten für das Reizen (insgesamt 35 mögliche Gebote) sowie für Pass, Kontra und Rekontra. Dann geht’s los, Ernst Krakenberger erläutert geduldig jeden Schritt des Bietens, jeden Stich, jede taktische Finesse.

Nach der dritten Runde hat der Kiebitz immer noch mehr Fragen als Antworten parat, kann aber erahnen, was an diesem Spiel so fasziniert. Und dass es durchaus kein Spiel nur für höhere Kreise ist. Gleichwohl hat es sich nicht so durchgesetzt wie Skat oder Schafkopf. Vor allem bei Jüngeren nicht, beklagt der frühere Hopfenhändler Krakenberger, der 1940 in Holland geboren ist, einem Land, in dem Bridge quer durch alle Altersstufen weit verbreitet ist. In seinem Club liege das Durchschnittsalter inzwischen bei fast 70 Jahren, Nachwuchs wird also dringend gesucht, auch beim anderen Nürnberger Club. Beide werben gemeinsam für »Fit im Kopf mit Bridge«.

Herbert Fuehr

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