Das erste Pflegestärkungsgesetz, das Bundestag und Bundesrat beschlossen haben, bringt 2015 eine Reihe von Neuerungen und Mehrleistungen für Pflegebedürftige sowie Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz wie Demenzkranke, psychisch Kranke und geistig Behinderte. Das Magazin 66 hat die Übersicht vom Portal Pflege.de übernommen.
Hier die Sachleistungssätze für professionelle ambulante Pflege durch einen von den Kassen anerkannten Pflegedienst:
Pflegestufe 0 = 231 Euro
Stufe I = 468 Euro
Stufe II = 1.144 Euro
Stufe III = 1.612 Euro
Stufe III + Härtefall = 1.995 Euro
Für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz wie Demenzkranke steigen die Leistungsbeträge in Stufe I auf 689 Euro und in Stufe II auf 1.298 Euro.
Das Pflegegeld bei Pflege und Betreuung durch Angehörige klettert auf folgende Sätze:
Pflegestufe 0 = 123 Euro
Stufe I = 244 Euro
Stufe II = 458 Euro
Stufe III = 728 Euro.
Für Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz wie Demenzkranke erhöht sich das Pflegegeld in Stufe I auf 316 Euro und in Stufe II auf 545 Euro.
Mehr Geld für Pflege in Heimen
Auch Heimbewohner erhalten ab 2015 von den Pflegekassen mehr Geld für die Pflege in ihrem Heim und zwar in
Pflegestufe I = 1.064 Euro
Stufe II = 1.330 Euro
Stufe III = 1.612 Euro
Stufe III + Härtefall = 1.995 Euro
Mehr Geld für bestimmte Hilfsmittel
Der monatlich von den Pflegekassen erstattete Höchstbetrag für zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel steigt von bislang 31 Euro auf 40 Euro.
Ausbau der Kurzzeit- und Verhinderungspflege
Die Leistungen für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege von neuerdings jeweils 1.612 Euro für 28 Tage im Jahr können nunmehr besser miteinander kombiniert werden. Dadurch werden bis zu 42 Tage Verhinderungspflege oder bis zu 56 Kurzzeitpflege im Jahr von den Pflegekassen auch höher gefördert. Konkret heißt das:
Der Zuschuss für Verhinderungspflege kann nun auf Wunsch mit bis zum halben Betrag für Kurzzeitpflege (806 Euro) aufgestockt und der Förderzeitraum um 14 auf 42 Tage verlängert werden, wenn diese Summe noch nicht für Kurzzeitpflege im laufenden Jahr ausgegeben wurde. Damit stehen für Verhinderungspflege pro Jahr maximal 2.418 Euro für höchstens 42 Tage bereit.
Umgekehrt kann sogar der volle Zuschuss zur Verhinderungspflege von 1.612 Euro für Kurzzeitpflege eingesetzt werden, wenn Verhinderungspflege im Kalenderjahr noch nicht beansprucht wurde. Somit wird Kurzzeitpflege nunmehr mit höchstens 3.224 Euro für 56 Tage im Jahr von den Pflegekassen gefördert. Auch Demenzkranke haben nunmehr auch Anspruch auf Kurzzeitpflege.
Mehr Geld für die Tages- und Nachtpflege
Pflegebedürftige und Demenzkranke können die Leistungen für Tages- und Nachtpflege künftig ungekürzt neben den ambulanten Geld- und Sachleistungen von Pflegekassen beziehen. Hier die neuen Leistungssätze für Tages- und Nachtpflege:
Pflegestufe 0 für Demenzkranke etc. (neu) = 231 EUR
Stufe I = 468 Euro
Stufe II = 1.144 Euro
Stufe III = 1.612 Euro
Für pflegebedürftige anerkannt Demenzkranke erhöhen sich die Leistungssätze in Stufe I auf 689 Euro und in Stufe II auf 1.298 Euro. Damit liegen die Zuschüsse für Tages- und Nachtpflege auf gleicher Höhe wie die ambulanten Pflegesachleistungen.
Wichtigste Verbesserung für alle Leistungsempfänger: Die Förderung für Tages- und Nachtpflege wird nicht mehr mit gewährten ambulanten Sachleistungen für die Pflege durch professionelle Dienste und Pflegegeld für die Versorgung durch Angehörige verrechnet, sondern kommt zusätzlich hinzu.
Anspruch auf Betreuung nun für alle Pflegebedürftigen
Der Anspruch auf Betreuungs- und die neuen Entlastungsleistungen in der ambulanten Pflege wird ausgeweitet: Auch Pflegebedürftige mit den Pflegestufen 1 bis 3 erhalten künftig 104 Euro für zusätzliche Betreuungsleistungen. Für anerkannt Demenzkranke steigt dieser Zuschuss auf 104 bzw. in schwereren Fällen auf 208 Euro monatlich.
Neue zusätzliche Entlastungsleistungen werden eingeführt wie die Unterstützung im Haushalt oder Alltagsbegleitung durch ehrenamtliche Helfer. Bis zu 40 Prozent ihres Anspruchs auf ambulante Pflegesachleistungen dürfen sowohl anerkannt Pflegebedürftige als auch Demenzkranke künftig für niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote einsetzen, was insbesondere Pflegebedürftige mit Pflegestufe I und Demenzkranke nutzen dürften.
Höherer Zuschuss für barrierefreien Umbau
Der Zuschuss für barrierefreie Umbauten in Wohnungen von anerkannt Pflegebedürftigen und ab 2015 auch Demenzkranken wie den Einbau eines barrierefreien Badezimmers steigt deutlich von bisher 2.557 auf bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme und Jahr.
Mehr Geld für ambulant betreute Wohngruppen
Wohnen mindestens drei, höchstens zwölf Pflegebedürftige oder Demenzkranke zusammen in einer ambulant betreuten Wohngruppe (WG), können maximal vier Bewohner auf Antrag den Zuschuss für barrierefreien Umbau von je 4.000 Euro erhalten. Insgesamt zahlen Pflegekassen also höchstens 16.000 Euro für altersgerechte Umbauten in einer WG.
Zudem bekommen höchstens vier Bewohner einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft auf Antrag den einmaligen Gründungszuschuss von je 2.500 Euro zur Einrichtung der WG. Die Pflegekassen zahlen maximal also 10.000 Euro Gründungszuschuss pro WG. – Jeder Bewohner hat außerdem Anspruch auf den monatlichen Organisationszuschuss von nunmehr 205 Euro zur Beschäftigung einer Organisationskraft für die Wohngruppe.
Pflegeunterstützungsgeld und Pflegezeit für Berufstätige
Die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf wird verbessert. Die Pflegeversicherung zahlt künftig pflegenden Berufstätigen und 450-Minijobbern in Betrieben ab 16 Beschäftigten auf Antrag ab 2015 ein Pflegeunterstützungsgeld in Höhe von ca. 67 Prozent ihres Bruttoeinkommens für eine zehntätige Freistellung zur Pflege eines nahen Angehörigen. Voraussetzung: Der Zustand eines nahen Angehörigen verschlechtert sich und seine Pflege muss neu organisiert werden.
Außerdem haben Beschäftigte in Betrieben ab 26 Mitarbeitern einen Rechtsanspruch auf ein halbes Jahr komplette Freistellung oder 24 Monate teilweise Freistellung für eine Pflegezeit, wenn sie einen nahen Angehörigen pflegen und betreuen müssen. Zur Überbrückung des Verdienstausfalls gewährt ihnen das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (Köln) zinslose staatliche Darlehen. Die Einzelheiten regelt das neue Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf.
Ambulante Wohngemeinschaften
Erstmals erhalten auch anerkannt Demenzkranke in ambulanten betreuten Wohngemeinschaften (WGs) mit drei bis zwölf Bewohnern den einmaligen WG-Gründungszuschuss von 2.500 Euro sowie den monatlichen Organisationszuschuss zur Beschäftigung einer Organisationshilfe von 205 Euro. Insgesamt dürfen höchstens vier WG-Bewohner gemeinsam 10.000 Euro als Gründungszuschuss beziehen. Außerdem können ebenfalls höchstens vier WG-Bewohner jeweils 4.000 Euro für den barrierefreien Umbau der gemeinsamen Wohnung beantragen. Das heißt: Die Pflegekassen dürfen den Umbau pro WG künftig mit maximal 16.000 Euro fördern.
Mehr Betreuungskräfte in Pflegeheimen
Durch den verbesserten Betreuungsschlüssel von einer Betreuungskraft für je 20 Bewohner kann die Zahl zusätzlicher Betreuungskräfte in Alten- und Pflegeheimen von bisher 25.000 auf bis zu 45.000 aufgestockt werden.
Höhere Leistungen in Einrichtungen der Behindertenhilfe
Der Höchstbetrag zur Abgeltung pflegebedingter Aufwendungen in Einrichtungen der Behindertenhilfe steigt von bislang 256 EUR auf künftig 266 Euro.
Höhere Beiträge zur Pflegeversicherung
Mit den zusätzlichen Mitteln aus der Beitragserhöhung zur Pflegeversicherung von 0,3 Prozentpunkten ab 2015 werden Mehrleistungen in der ambulanten Pflege von rund 1,4 Milliarden Euro und Mehrleistungen in der stationären Pflege um rund eine Milliarde Euro beglichen. Außerdem werden jährlich rund 1,3 Milliarden Euro für den Aufbau eines Fonds eingesetzt, um die Pflege der geburtenstarken Jahrgänge ab 1950 und 1960 besser abzusichern. Auch das Pflegeunterstützungsgeld für die neue zehntägige bezahlte Pflege Angehöriger durch Berufstätige wird über die Beitragserhöhung finanziert.
Ausblick auf 2017
Das zweite Pflegestärkungsgesetz, so hofft Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, wird 2015 auf den Weg gebracht und soll voraussichtlich 2017 in Kraft treten. Durch die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes sollen Demenzkranke noch früher und umfangreicher als bisher in den Genuss der Leistungen der Pflegeversicherung kommen.
Voraussichtlich ab 2017 wird dann die Pflegebedürftigkeit nach dem Grad der Selbstständigkeit von geistig und körperlich Pflege- und Betreuungsbedürftigen und nicht mehr nach dem rein körperlichen pflegerischen Unterstützungsbedarf ermittelt wie bisher.
Aktuell wird das neue Begutachtungssystem wissenschaftlich begleitet erprobt. Dafür werden etwa 4.000 Pflegebedürftige sowohl nach dem bisherigem als auch nach dem geplanten neuen Recht begutachtet. Die Ergebnisse der Erprobung lägen bis Anfang 2015 vor und würden bei der Gesetzgebung berücksichtigt, verspricht Minister Gröhe.
Autor: Uwe Lötzerich, UL Fachredaktion Gesundheit + Pflege