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Neue Heimat für Altersmedizin in Nürnberg

In Zeiten klammer Kassen und Schließungen ist es eher erstaunlich, wenn Kliniken neue, moderne Gebäude beziehen. Die therapeutischen Angebote für Menschen ab 60 Jahren mit Depressionen, Suchterkrankungen oder beginnender Demenz im vierten Stock des neu errichteten Dr. h.c. Theo-Schöller-Hauses, dem jüngsten Gebäude im Nürnberger Nordklinikums, zeigen, dass Geld da ist, wenn man es nur richtig einsetzt.
Oberarzt Reinhold Waimer vor der Fassade der neuen Tagesklinik für seelische Gesundheit in Nürnberg. Foto: Matejka.
Oberarzt Reinhold Waimer vor der Fassade der neuen Tagesklinik für seelische Gesundheit in Nürnberg. Foto: Matejka.

Es ist selten, dass man einen Arzt von seiner Klinik schwärmen hört. Doch Reinhold Waimer ist so angetan von den neuen Räumlichkeiten der Tagesklinik für seelische Gesundheit, dass sich seine Begeisterung auf Patienten und Besucher überträgt. Spätestens wenn man sich selbst ein Bild von der Gerontopsychiatrischen Einrichtung macht, versteht man den Oberarzt, der die Leitung des noch relativ neuen Zweigs der Altersmedizin inne hat. Die therapeutischen Angebote für Menschen ab 60 Jahren mit Depressionen, Suchterkrankungen oder beginnender Demenz befinden sich im vierten Stock des neu errichteten Dr. h.c. Theo-Schöller-Hauses, dem jüngsten Gebäude im Nürnberger Nordklinikum. Die Räume sind lichtdurchflutet, bieten eine tolle Aussicht auf Nürnberg und strahlen noch das Flair eines Erstbezugs aus.
Die Etage für seelisch kranke Senioren ist so strukturiert, dass sie zunächst an ein modernes Altenheim erinnert. Ein einsehbares Büro für die Pflegekräfte, eine Küche zum gemeinsamen Kochen und verschiedene Zimmer für Gymnastik, Gesprächskreise oder zum Ausruhen gehören zu diesem Bereich. Allerdings ziehen die maximal 18 Patienten, die hier betreut werden, nicht dauerhaft ein. Sie halten sich montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr in der Klinik auf. Die Nächte und die Wochenenden verbringen sie zu Hause. Deshalb gehört zu den Aufnahmekriterien auch eine gewisse Selbstständigkeit. Wer suizidgefährdet oder bettlägerig ist, wird nicht hier behandelt, sondern muss entweder stationär aufgenommen beziehungsweise ambulant versorgt werden. Das gilt auch für altersverwirrte Menschen mit Weglauftendenz.
Ziel der gerontopsychiatrischen Therapie sei die Erhaltung von Alltagskompetenzen, erläutert Waimer. Die Stärkung der Patienten erfolgt in der Regel über drei oder vier Wochen hinweg. In dieser Zeit wird versucht, chronische Erkrankungen oder seelische Beschwerden zu behandeln und Krisen entgegenzutreten, die im fortgeschrittenen Alter häufiger auftreten. Die Patienten, die meist psychisch krank sind, profitierten von dem intensiven Behandlungsprogramm, führt der Oberarzt
aus. Das Team an Betreuungspersonen ist überschaubar, somit stehen verlässliche Bezugspersonen zur Verfügung. Zudem stabilisiert ein stark strukturierter Tagesablauf die Kranken. Das gemeinsame Kochen, die Stunden in einem modern ausgestatteten Musiktherapie-Raum oder Ergotherapie stärken das Vertrauen der Kranken in die eigenen Fähigkeiten.
Der Großteil der Patienten wird von niedergelassenen Ärzten eingewiesen. Manche kommen auch von anderen Abteilungen des Klinikums hierher. Häufig haben sie eine längere Leidensphase hinter sich und sind seit langem in ambulanter Behandlung. Bei einer zentralen Anlaufstelle werden sie aufgenommen und die für sie passenden Behandlungsangebote ermittelt.
Mit dem Umzug ins Dr. h.c. Theo-Schöller-Haus reagiert die Leitung des Klinikums auf den demografischen Wandel. Bei der Einweihung sagte die Witwe des berühmten Speiseeis-Unternehmers, Friedl Schöller: »Älteren oder hilfsbedürftigen Menschen in dunklen Tagen beizustehen, sie spüren zu lassen, dass sie nicht allein oder ausgegrenzt sind – das wollten wir mit unseren finanziellen Möglichkeiten nach Kräften unterstützen. Es war der Wunsch und Lebenstraum meines Mannes, dass dies auch über seinen Tod hinaus so bleibt.«

Bundesweit existieren etwa 60 vergleichbare Kliniken – und der Bedarf wächst. Denn die Zahl der Menschen mit Angst- und Gedächtnisstörungen sowie mit Depressionen vergrößert sich ständig. Derzeit geht man in ganz Deutschland von etwa einer Million Betroffenen aus. Da gleichzeitig die Lebenserwartung steigt, ist eine gerontopsychiatrische Behandlung auch jenseits des Renteneintrittsalters wirkungsvoll und notwendig, erklärt Waimer. Im neuen Haus 10 des Nordklinikums wurden mit dem Zentrum für Altersmedizin, der Akutgeriatrie und der Palliativstation weitere medizinische Angebote gebündelt, die sich überwiegend an ältere Menschen wenden. Somit bedeutet der markante Neubau für Patienten und Angehörige eine deutliche Verbesserung der Versorgung.
Obwohl die Klinik für seelische Gesundheit erst vor wenigen Wochen umgezogen ist und noch manches fehlt, etwa zur Erleichterung der Orientierung, wirkt der leitende Arzt Waimer schon wie ein routinierter Hausherr. Stolz zeigt er das großzügige Raumangebot. Schließlich soll die Klinik mit dem rasch steigenden Bedarf Schritt halten. Neue Angebote werden entstehen. Der Oberarzt denkt beispielsweise an die Arbeit mit Angehörigen seiner Patienten. Sie sollen ebenfalls von der hohen Aufenthaltsqualität in »der schönsten Gerontopsychiatrischen Tagesklinik Deutschlands« (O-Ton Waimer) profitieren.
Petra Nossek-Bock
Fotos: Michael Matejka
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