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Aua! Au! Die kleine Nazlican jammert. Sie ist im Eingangsbereich des Supermarktes über einen Stapel Dosen gestolpert. Jetzt sitzt die Siebenjährige da, hält sich das Knie und vergräbt ihr schmerzverzerrtes Gesicht unter ihren langen schwarzen Haaren.
Von der Kasse her kommt ein älterer Mann mit Schiebermütze auf die Kleine zu – so schnell er eben kann mit seinem Rollator. Vor ein paar Minuten hat Winfried Jäger Nazlican schon einmal getroffen. Da ist sie mit ihren Freunden im Supermarkt an ihm vorbeigerannt, hat seinen Rollator angerempelt und den Senior gehörig ins Wanken gebracht. Etwas finster hat er da dreingeschaut. Doch jetzt hockt der 74-Jährige vor dem Mädchen und verbindet ihr das blutende Knie.
»Danke!«, ruft es plötzlich aus dem Hintergrund. Und: »Das machen wir gleich noch mal.« Ohne eine Spur von Schmerz steht Nazlican auf und hilft, die Dosen wieder aufzustapeln. Ohne eine Spur von Gebrechen schiebt Winfried Jäger flott das Gehwägelchen zurück zur Kasse.
Wir befinden uns mitten in einem Filmdreh. Allerdings entsteht hier kein Spielfilm, sondern eine Art Werbespot. Ein Werbespot für gegenseitigen Respekt und Toleranz unter den Generationen wirbt ganz nach dem Motto »Miteinander.Füreinander«. Initiator ist das Bündnis für Familie der Stadt Nürnberg. Seit elf Jahren versucht es mit seiner Kampagnenreihe »Kinder- und Familienstadt Nürnberg« die Noris ein bisschen lebenswerter zu machen.
Aktion soll auffallen
Das Jahr 2012 ist als »Europäisches Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen« ausgerufen. Da setzt die diesjährige Nürnberger Kampagne an – und will die Botschaft des Jahres möglichst pfiffig in den Köpfen der Leute verankern. »Wir wollen keine langweiligen Plakataktionen machen oder mit erhobenem Zeigefinger drohen«, sagt Karin Behrens vom Bündnis für Familie. »Vielmehr wollen wir auffallen, die Leute zum Nachdenken animieren, etwas Einprägsames machen.« Deshalb werden die Werbespots ab 11. Oktober zehn Wochen lang in den Nürnberger Kinos Admiral, Cinecittà, Rio, Metropolis und voraussichtlich Casablanca laufen. »Da können die Leute nicht wegzappen«, sagt Behrens.
Vier kurze Videospots hat das Bündnis für Familie ersonnen und im Sommer in Zusammenarbeit mit der Medienwerkstatt Franken abgedreht. In einem werden beispielhafte Nürnberger Projekte zur Generationenbegegnung vorgestellt, in einem anderen das Miteinander in einem Wohnblock gezeigt. Und dann ist da noch der Clip mit der Fußball-Oma: Eine Rentnerin sitzt im Park und liest. In der Nähe spielen Kinder Fußball. Zweimal wird die Oma von den jungen Kickern angeschossen, dann reicht es ihr. Sie legt ihr Buch weg, schnappt sich den Ball und zeigt den staunenden Kids, was sie in Sachen Dribbling und Torschuss noch alles drauf hat.
»Das würde ich auch im echten Leben so machen«, sagt Ursula Heublein und lacht. Als man die 75-Jährige zum Dreh bat, war sie sofort Feuer und Flamme. Seit über 40 Jahren gibt sie Sportkurse beim Postsportverein Nürnberg: Inzwischen leitet sie den Senioren-Club, früher aber hat sie auch Ferienfreizeiten veranstaltet. Das Motto »Miteinander.Füreinander« liegt ihr sehr am Herzen: »Ich finde, ältere Leute sollten mehr Verständnis für Kinder haben. Wir haben früher auch auf der Straße getobt und ›Räuber und Gendarm‹ gespielt. Wenn Kinder das heute machen, werden sie gleich angemotzt, weil sie zu laut sind. Da braucht man sich ja nicht zu wundern, dass sie nur noch in ihren Zimmern vor dem Computer hocken.«
Ganz liebe Kinder
Ursula Heublein macht’s anders – und erntet Dank dafür. »Die Kinder beim Videodreh sind ganz lieb zu mir gewesen. ›Oma vor, noch ein Tor!‹ haben sie gerufen«, erzählt die sportliche Seniorin. Beim Filmdreh in brütender Hitze hat sie all ihre Ballkünste ausgepackt.
Protagonisten wie Ursula Heublein hatte Karin Behrens sich für ihre diesjährige Kampagne gewünscht. Menschen, die frisch und natürlich wirken und mitten im Leben stehen. Die Ideen zu den Videoclips sind an einer Art Rundem Tisch entstanden, an dem neben dem Bündnis für Familie unter anderem das Jugendamt, der Stadtseniorenrat und das Zentrum Aktiver Bürger saßen. Die Sparda-Bank Nürnberg hat das Projekt finanziell unterstützt.
Die Szene im Supermarkt etwa hat Hauptdarsteller Winfried Jäger, selbst Mitglied im Stadtseniorenrat, vorgeschlagen. Als er nun beim Dreh im Edeka-Center in der Nürnberger Rollnerstraße – ein Supermarkt, der bewusst seniorengerecht gestaltet ist – steht, sinniert er: »Ja, Kinder sind manchmal vorlaut und unvorsichtig. Aber es gibt auch sture Rentner. Wir müssen das Menschliche zusammenbringen.«
Dann muss er wieder Aufstellung nehmen und noch mal der verletzten Nazlican helfen. Als er sie auf seinen Rollator setzt und aus dem Supermarkt fährt, ist das Filmteam zufrieden. Und Jung-Schauspieler Onur (9) klatscht. »Super gemacht, alter Opa!«, ruft er. Es ist ein Kompliment. Ein generationenübergreifendes Kompliment.
Annika Peißker
Foto: Michael Matejka

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