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Erlesenes Hobby: Exlibirs Sammeln

Das Ehepaar Baumüller pflegt ein schönes Hobby. Es sammelt besodnere Buchzeichen. Foto: Michael Matejka
Nein, in ein elektronisches Buch einkleben kann man die meist acht mal zehn Zentimeter großen bedruckten Blätter nicht, die der 71-jährige Fürther Manfred Baumüller sammelt. Dafür sind die liebevoll gestalteten Miniatur-Grafiken, Holz- und Kupferstiche, Radierungen oder Lithografien, die so genannten Exlibris, nicht gemacht. Sie schmücken die Innenseite »echter« Werke, schon seit je her.
Denn Exlibris stammen aus dem 15. Jahrhundert, als Bücher noch kostbar und selten waren, und mit den kunstvollen Bildchen stolze Besitzer ihr Buch-Eigentum dokumentierten. Mit der Erfindung des Buchdruckes begann der Aufstieg dieser von Künstlerhand gestalteten »Visitenkarten«. Exlibris – das heißt aus dem Lateinischen übersetzt: Aus den Büchern. Sammler kennzeichneten mit diesen Papierstücken ihre Bibliothek.
Geschichten über fränkische Heimat
Bei Kunstliebhaber Manfred Baumüller und seiner Frau Christa stapeln sich die Miniaturdarstellungen zu Tausenden wohl geordnet in eigens angelegten Ordnern. Die kleinen Werke können Geschichten erzählen. Geschichten über ihre Besitzer, über ihre Liebe zur fränkischen Heimat, zu Kunst und Musik, zu Autoren wie Ludwig Thoma oder Jakob Wassermann. Es ist ein ungewöhnliches Hobby in einer Zeit, in dem man dem guten alten, papierenen Buch das Aussterben prophezeit.
Die ersten Exlibris aus der Zeit von Albrecht Dürer und Hans Holbein waren meist heraldisch, zeigten also Wappen der Bucheigner in kunstvollen Ausführungen. Später erweiterten sich die Bildmotive, und es entstand eine enorme Vielfalt, die dieses Gebiet der Kleingrafik auch heute noch für eine überschaubare Fangemeinde interessant und faszinierend macht.
»Meine Frau und ich haben uns 1990 ganz bewusst ein Hobby gesucht, dem man bis ins hohe Alter frönen kann«, sagt der agile 71-Jährige, der nach einem ausgefüllten Berufsleben im Außendienst heute im Stadtteil Espan lebt. Baumüller ist vielseitig engagiert, im Geschichtsverein, in der Volkshochschule und als Schulweghelfer. Das Interesse an Kunst und Kultur wurde ihm bereits in die Wiege gelegt. Sein Vater war gelernter Bildhauer und er nahm den kleinen Manfred mit ins Germanische Nationalmuseum und zu Ausstellungen. Dabei erwachte bei dem Kind die Neugier auf alles Künstlerische. Kein Wunder, dass schließlich Manfred Baumüllers Sohn Steinmetz geworden ist. Seine drei zwölf-, 14- und 16-jährigen Enkel haben ebenfalls mit dem Hobby des Opas Bekanntschaft gemacht. Sie sind mittlerweile in einigen seiner Exlibris als Portraits vertreten. Und jedes der Enkelkinder besitzt bereits ein eigenes Bucheig-nerzeichen auf seinen Namen.
Auf die Exlibris stieß Holzschnitt-Liebhaber Baumüller bei einer Ausstellung des Kitzinger Künstlers Richard Rother. »Dann war es passiert«, erinnert er sich heute, denn mit Rother und seinen kräftigen, humorvollen Arbeiten zum Beispiel für Weinetiketten und andere Gebrauchsgrafiken, aber auch für Buchinnendeckel war die Liebe zum kleinen Bild geweckt. Mittlerweile besitzt Baumüller selbst eine große Rother-Sammlung.
So kann das Ehepaar bis heute nicht nur die Lust am Sammeln befriedigen, sondern auch eigene Vorlieben wie die für Musik, Dichtung, Heimatkunde fantasievoll und künstlerisch umsetzen lassen. Und das besondere Faible von Gattin Christa, das Sammeln von Froschdarstellungen in allen Variationen, ließ sich auch ohne Probleme in einem Auftrag für ein neues Exlibris bewerkstelligen – ein Frosch-Exlibris.
Im Lauf der Jahre entstanden 89 Motive – jeweils in einer Auflage von 100 Stück und versehen mit dem Exlibris-Schriftzug und dem Namen der Buchbesitzer Christa oder Manfred Baumüller. Die Werke tragen also die ganz persönliche Handschrift der Baumüllers. Wie der erste Holzschnitt von Rudolf Rieß etwa, Nürnbergs letztem Xylographen – »einem, der ins Holz schreibt«. Das für Baumüller gewählte Motiv thematisiert die spannungsgeladene Beziehung zwischen Nürnberg und Fürth. Mit der Knoblauchknolle, dem Symbol für das gemeinsame Knoblauchsland, dem Sinwellturm und dem Eingang zum Tiefen Brunnen der Kaiserburg auf der einen Seite und – durch einen Pfahl getrennt – dem Fürther Rathaus auf der anderen Seite. Auf dem Pfahl sitzt eine Dohle, der Vogel der Weisheit.
Musikalische Motive sind ebenfalls stark in Baumüllers Sammlung vertreten. Es sind besonders Figuren aus Wagner-Opern, die in den unterschiedlichsten Facetten, als Stahlstich oder Radierung, mal in Art des Jugendstils, mal expressionistisch angehaucht daherkommen. Und auch Baumüllers Interesse an jüdischer Geschichte kann man aus manchen Darstellungen herauslesen, sei es der alte Eingang zur ehemaligen Synagoge in der Königstraße oder ein Portrait des Fürther Dichters Jakob Wassermann.
Was für die Briefmarkensammler die Tausch-Börsen, das sind für Exlibris-Liebhaber die entsprechenden Vereine, in denen sich Künstler und Sammler zusammenfinden, und zwar in allen europäischen Ländern und in Übersee. 1891 wurde der »Deutsche Exlibris-Verein« gegründet, der mit der Erforschung und durch Publikationen das Exlibris-Schaffen kommentierte und mit den ausländischen Vereinigungen Kontakte pflegte. Daraus ging die heutige »Deutsche Exlibris-Gesellschaft« hervor, die, 1949 erneut gegründet, diese Tradition fortsetzt. Einmal im Jahr treffen sich Sammler und Künstler in Deutschland zur nationalen Tagung, alle zwei Jahre irgendwo auf der Welt zum internationalen Weltkongress.
Über Herkunft, Geschichte und Motive wird mittlerweile auch im Internet kräftig gefachsimpelt. »Deshalb ist es auch so wichtig, dass meine Frau das Hobby teilt«, sagt Baumüller, denn es kommt schon mal vor, dass er längere Zeit eingegangene Sammler-Tausch-Post bearbeitet, mal wieder vom Computer nicht wegkommt oder als Vermittler gefragt ist, wenn es um das Auflösen alter Sammlungen geht. Dafür kommt aber auch die Geselligkeit nicht zu kurz. Viele Freundschaften sind auf Tauschbörsen entstanden, man kennt sich, verbringt schöne Abende in gemeinsamer Runde.
Und Baumüller ist sich sicher: Die Exlibris gehen nicht aus – Liebhaber »echter« Bücher wird es immer geben. Eben auch deshalb, weil ein Exlibris nicht in ein E-Book passt.
Karin Jungkunz
Fotos:Michael Matejka

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