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Klinik-Besuchsdienst nimmt Patienten Ängste

Besuchsdienste gehören inzwischen in vielen Krankenhäusern fest zum Programm. Vor fast vierzig Jahren tauchten die »Grünen Damen« der Evangelischen Krankenhaushilfe (EKH), die wegen ihrer grünen Kittel so genannt werden, erstmals in Deutschland auf. Damals angeregt durch die Volunteer Services aus den USA. Rund 10.000 »Grüne Damen« (und ein paar hundert Herren) sind derzeit ehrenamtlich bundesweit aktiv.

mmer ein offenes Ohr: Irmgard Hofmann gehört schon seit fast sechs Jahren dem Besuchsdienst des Nürnberger Klinikums an. Foto: Michael Matejka
mmer ein offenes Ohr: Irmgard Hofmann gehört schon seit fast sechs Jahren dem Besuchsdienst des Nürnberger Klinikums an. Foto: Michael Matejka

Im Haus 37 des Nürnberger Nordklinikums ist Irmgard Hofmann schon seit Jahren gut bekannt, obwohl sie weder zu den Patienten noch zu den Ärzten oder Krankenschwestern gehört. Sie geht hier dennoch ein und aus – ganz freiwillig und ehrenamtlich noch dazu. Irmgard Hofmann ist eine von rund 40 Angehörigen des Besuchsdienstes im Klinikum. Sie besucht einmal pro Woche die Patienten der Geriatrie, unterhält sich mit ihnen und erledigt kleine Besorgungen.
Besuchsdienste gehören inzwischen in vielen Krankenhäusern fest zum Programm. Vor fast vierzig Jahren tauchten die »Grünen Damen« der Evangelischen Krankenhaushilfe (EKH) erstmals in Deutschland auf, damals angeregt durch die Volunteer Services aus den USA. Rund 10 000 »Grüne Damen«, wie die Ehrenamtlichen wegen ihrer grünen Kittel genannt werden, (und ein paar hundert Herren) sind derzeit bundesweit aktiv.
Den Besuchsdienst des städtischen Klinikums, der von den Kirchen ganz unabhängig ist, gibt es seit fast sechs Jahren. Ein Dutzend Ehrenamtliche der ersten Stunde sind immer noch dabei. Eine davon ist die 68-jährige Irmgard Hofmann. Sie hatte einen Aufruf in der Zeitung gelesen und meldete sich. »Damals war ich alleine«, sagt sie. Ihr Lebenspartner war kurz zuvor verstorben, und sie hatte das Gefühl: »Ich muss etwas tun, auch für andere.« Beim Einstellungsgespräch durfte sie sich die Station aussuchen, die sie betreuen wollte, und sie entschied sich für die Geriatrie: »Für meine Begriffe ist das hier am wichtigsten, weil manche Ältere abgeschoben werden.«
Man braucht zwar keine besonderen Vorkenntnisse, wenn man sich beim Besuchsdienst engagieren möchte. »Aber man muss wissen, worauf man sich einlässt«, weiß Hofmann heute. Denn die Ehrenamtlichen werden oft mit Leid, Einsamkeit und Sterben konfrontiert. Sie sollen offen sein für Gespräche, aber gleichzeitig eine professionelle Distanz wahren. Das gelingt freilich nicht immer. »Manche Fälle nimmt man schon mit nach Hause«, sagt die gebürtige Rheinländerin und erinnert sich an eine todgeweihte Patientin, mit der sie besonders gut ins Gespräch gekommen war. Am Ende war es nicht die Besucherin, die der Patientin Mut machte, sondern umgekehrt. »Es tat mir so Leid, dass diese Frau sterben musste«, sagt Hofmann.
In regelmäßigen Schulungen hat sie gelernt, wo sie Grenzen setzen muss. So freut sie sich zwar, wenn sie die Dankbarkeit der Patienten spürt. Aber immer wieder wollen die älteren Menschen ihr etwas schenken. »Ich nehme grundsätzlich nichts an«, wehrt sie ab. Sie würde niemals ihre Telefonnummer herausgeben, wenn jemand auch nach der Entlassung aus der Klinik den Kontakt halten möchte. Distanz wahren – das gilt auch im wörtlichen Sinne. Es käme ihr normalerweise nicht in den Sinn, sich bei einem Patienten aufs Bett zu setzen oder ihm die Hand zu halten. Nur für den Fotografen von sechs+sechzig macht sie eine Ausnahme.
Auf vielen Stationen sind die freiwilligen Helferinnen und Helfer längst fest in den Klinikalltag integriert. Pflegekräfte und Ärzte haben es schätzen gelernt, dass es in dem oft hektischen Alltagsbetrieb auch noch Menschen gibt, die sich mit viel Zeit und Nerven um Kranke kümmern. Denn Zeit ist nach mehreren Gesundheitsreformen zu einem besonders knappen Gut für das medizinische Personal geworden. Hannelore Erb, Pflegedienstleiterin in der Onkologie, der Hautklinik und in der Nuklearmedizin, hat durchwegs gute Erfahrungen mit den Ehrenamtlichen gemacht. Die Freiwilligen und die festangestellten Pfleger arbeiten eng zusammen; so erkundigen sich die Helfer, wo das Gespräch mit dem Patienten gerade am nötigsten ist und wer am ehesten Bedarf an Zuwendung hat.
Auch aus medizinischer Sicht macht die Arbeit der Ehrenamtlichen durchaus Sinn, weiß Dr. Jürgen Bauer, Oberarzt an der Medizinischen Klinik 2 des Nürnberger Klinikums. Denn für den Patienten stellt ein Krankenhausaufenthalt immer eine Ausnahmesituation dar. Der Besuchsdienst kann hier Ängste nehmen und ein Gefühl der Sicherheit vermitteln – Größen, die auch für die Genesung eine Rolle spielen. Freilich sind Profis und Ehrenamtliche nicht immer so vorbehaltlos gegenüber dem jeweils anderen gewesen. Oberarzt Bauer gibt zu, dass man sich auf manchen Stationen anfangs schon ein wenig kritisch beäugt habe. Immerhin ist der Umgang mit kranken Menschen keine einfache Aufgabe.
Die Freiwilligen werden jedoch gut vorbereitet. Auf ein ausführliches Einstellungsgespräch folgen weitere Treffen. Alle drei Monate kommen die Mitglieder des Besuchsdienstes zu Vorträgen zusammen und zum Austausch von Erfahrungen. Organisiert wird das alles von Christine Schrade. Von ihrem winzigen Büro im dritten Stock der ehemaligen Frauenklinik aus koordiniert sie die Einsätze der freiwilligen Besucher, plant Fortbildungen oder bereitet den jährlichen Ausflug vor. Früher war die 64-Jährige in der Pflegedienstleitung beschäftigt. Als sie in Altersteilzeit ging, baute sie zunächst ein Jahr lang hauptberuflich den Besuchsdienst auf; heute betreut sie die Ehrenamtlichen selbst auf ehrenamtlicher Basis. Zuletzt führte sie einen Besuchsdienst in den Warteräumen der Röntgenabteilungen im Nord- und im Südklinikum ein. 13 Ehrenamtliche sollen den wartenden Patienten ein offenes Ohr entgegenbringen. Gerade vor eher harmlosen Röntgenuntersuchungen oder einer Computertomographie (CT) haben viele Patienten Angst, weil sie Gewissheit über eine schwere Krankheit bringen könnte.
Zu jung sollten die Besucher freilich nicht sein (das Alter von Schrades Schützlingen bewegt sich zwischen 41 und 84 Jahren), und sie sollten genügend Zeit mitbringen. »Wir erwarten Regelmäßigkeit«, sagt Schrade. Einen Nachmittag pro Woche sollte man investieren. Der Einsatz des Besuchsdienstes ist auf fast allen Stationen des Städtischen Klinikums möglich, mit Ausnahme der Psychiatrie und der Kinderklinik. Dort gebe es bereits genug Angebote, sagt Schrade.
Wer sich im Besuchsdienst engagiert, bekommt zwar kein Geld, aber das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Irmgard Hofmann hat das schon häufiger erfahren. So wie bei dem Manager, an dessen Krankenbett sie eines Tages stand, und der mit seinem Mobiltelefon unbeirrt seinen Geschäften nachging. Nach einigen Gesprächen mit Hofmann sagte der Mann eines Tages: »Ich möchte mein Leben ändern.« Für die ehrenamtliche Helferin ist das nicht nur ein großer Erfolg: »Das ist mein Gehalt.«
Georg Klietz
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Information
Ehrenamtlicher Besuchsdienst im Klinikum Nürnberg,
Kontakt: Christine Schrade
Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1, 90419 Nürnberg
Telefon 0911 / 398-20 91, Fax 398-50 31
E-Mail: christine.schrade@klinikum-nuernberg.de

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