Bernd Rödl ging es damals nicht anders als vielen jungen Menschen heute, die vor der Berufswahl stehen. Ursprünglich wollte er Geschichte studieren, aber der Sprössling aus einer Ärztefamilie wusste nicht so genau, was er später damit anfangen sollte. So studierte er in Erlangen und München Jura – und sollte eine bemerkenswerte Karriere machen: Bernd Rödl ist Gründer der heute weltweit tätigen Sozietät von Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Rechtsanwälten, die seinen Namen trägt und ihren Stammsitz in Nürnberg hat.
Nach seiner Promotion zum Dr. jur. 1968 arbeitete er von 1970 bis 1973 als Assistent am Lehrstuhl für öffentliches Recht an der Universität Erlangen-Nürnberg. Gleichzeitig war er bei einem Rechtsanwalt tätig. Den Anlass, sich zusätzlich auf einem anderen Gebiet zu engagieren, gab ein guter Freund und Studienkollege, der ihm erzählte, er würde gerne als Wirtschaftsprüfer tätig sein. Aber als Rechtsanwalt »hatte ich ja kaum eine Ahnung, zum Beispiel von Bilanzwesen«, berichtet Rödl. Und so belegte er damals Kurse an der Volkshochschule, um sich in Wirtschaftssachen weiterzubilden. »Das war schon ein gewisser Kraftakt«, erinnert er sich. Schließlich war er ein junger Anwalt, war verheiratet und hatte drei Kinder.
Im Keller seines Reihenhauses in Großgründlach befand sich sein erstes Büro, und die Schreibarbeiten erledigte für ihn eine Nachbarin. 1974 bekam er die Zulassung als Steuerberater und 1976 die als Wirtschaftsprüfer. Rödl erkannte eine Marktlücke: Ein Rechtsanwalt hatte damals wenig Ahnung von Steuern und Bilanzen, und ein Wirtschaftsprüfer wenig von der Juristerei. So war er zumindest für einige Zeit in Bayern der einzige Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in einer Person und teilte sich ein Büro mit Kollegen in Räumen an der alten Messe am Nürnberger Stadtpark. Die Bürogemeinschaft hielt nicht lange: »Jeder von uns war der Meinung, alleine besser arbeiten zu können.«
Im Jahr 1977 stellte er Diplomkaufleute, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ein. Seine Kanzlei befand sich auf Wachstumskurs. Rödl hatte das Glück, namhafte Mandate zu bekommen, wie zum Beispiel die Neue Spinnerei in Bayreuth. »Im Aufsichtsrat dort saßen wichtige Leute, denen ich dann als Wirtschaftsprüfer empfohlen wurde«, erzählt Rödl. Werner Schmidt, damals einer der Gesellschafter der SchmidtBank, erzählte einem Vertreter der Familie Soldan (bekannt durch die em-eukal-Bonbons), Rödl sei mit seinem Sohn in die Schule gegangen. »Und so kam ich zu den Soldans als Wirtschaftsprüfer.«
In kurzer Zeit kam ein Mandat nach dem anderen aus der Region hinzu. Der eine Teil der Kundschaft kam aus verschiedenen Unternehmen. Der andere bestand aus Ärzten. In diese Berufssparte habe er »gezielt hineinakquiriert«. Noch heute zählen über 400 Ärzte zu seinen Mandanten. Viele der Mandanten der ersten Stunde nehmen immer noch seine Dienste in Anspruch. Manche schon in der zweiten Generation.
Nachdem die Firmen seiner Kunden immer größer wurden und vor allem US-amerikanische Kanzleien versuchten, sie als Mandanten abzujagen, gelangte er zu der Überzeugung, »ganzheitlichere« Beratung anbieten zu müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. So entstanden die ersten Auslandsniederlassungen, denn Rödl wollte Firmen, die im Ausland tätig waren, auch dort beratend zur Seite zu stehen.
1988 wurde die erste Niederlassung in der Tschechischen Republik gegründet. Der Zufall spielte eine Rolle: Ein Kollege, der dort gearbeitet hatte, ebnete den Weg, und Bernd Rödl gründete zusammen mit tschechischen Rechtsanwälten eine Kanzlei in Prag. Die Sache wurde ein Flop, weil die Partner »Kommunisten waren. Und diese wussten nicht, wie man mit unseren Mandanten umging.« Man trennte sich, und die Nürnberger arbeiteten in der Prager Niederlassung weiter. Die Prager Kanzlei gehört heute zu den erfolgreichsten der Rödl & Partner Gruppe.
Ein Joint Venture jedenfalls ging Bernd Rödl nicht mehr ein. Aufregend aber sei der erste Schritt in den Ostblock gewesen, gesteht der Chef. »Da standen also die Grenzbeamten mit ihren Kalaschnikows. Als sie in meinen Pass sahen und lasen, dass ich in Karlsbad geboren war, ihre Sprache aber nicht konnte, waren sie sehr verwundert.«
Die deutsche Wiedervereinigung hat die Kanzlei ein riesiges Stück weitergebracht. »Wir waren die erste Kanzlei, die in Ostdeutschland Fuß gefasst hat«, sagt Rödl. Viele Mandanten kamen auch von der Treuhandanstalt, die die ehemaligen DDR-Staatsbetriebe in private Hände überführte.
Die Expansion der Wirtschaftsprüfungskanzlei Rödl erstreckte sich später über die einstigen Ostblockstaaten und das Baltikum bis nach Russland. Das Geschäftsmodell war von Anfang an, »dass wir vornehmlich familiengeführte Unternehmen betreuen und diese auch ins Ausland begleiten. In welchem Land auch immer wir eine Kanzlei haben, wir wollen dort keine einheimischen Unternehmen als Mandanten haben, sondern wollen deutsche Unternehmen vor Ort betreuen.« Seine Mitarbeiter hätten nicht nur fundierte Kenntnisse im deutschen Recht, sondern auch im Rechtswesen des betreffenden Landes. Sie würden mit einem eigenen Schulungsprogramm ausgebildet, dem sogenannten Rödl Campus. Keine andere Kanzlei, weder in den USA noch in Frankreich, pflege dieses Geschäftsmodell, sagt Rödl.
Kanzleien gibt es mittlerweile in Lateinamerika, Asien und im Nahen Osten. 2250 Mitarbeiter sind an 79 Standorten beschäftigt.
Tätigkeitsschwerpunkte sind heute Jahresabschlussprüfungen von Familiengesellschaften, Konzernen und börsennotierten Aktiengesellschaften, Unternehmensplanung und -bewertung, Mittelstandsfinanzierung, Nachfolgeberatung in Familienunternehmen, Umstrukturierung von Unternehmen. Vor einiger Zeit hat der Nürnberger Experte auch eine Änderung im anwaltlichen Berufsrecht durchgesetzt. Er erstritt sich das Recht, seine eigenen Umsatzzahlen bekannt zu geben.
Der 1943 in Karlsbad geborene Rödl wuchs in Hof auf, ist verheiratet und hat sechs Kinder. Das Geheimnis seines unternehmerischen Erfolges liegt nach seiner Ansicht auch darin, dass Rödl & Partner ein familiengeführtes Unternehmen ist. Und obwohl es noch ein halbes Dutzend geschäftsführender Partner gibt, hält die Familie eine deutliche Mehrheit der Anteile. Den Stab als Vorsitzender der Geschäftsführung wird er Ende 2010 an seinen Sohn Christian übergeben. Dieser hat den Beruf des Vaters gewählt, »ein Glücksfall« wie der Senior betont. Die Entscheidungen würden weiter in Nürnberg fallen, versichert Rödl, an einen Verkauf, auch wenn das vereinzelt von der Konkurrenz kolportiert werde, sei nicht gedacht.
Wenn es seine Zeit erlaubt, geht Rödl seinen Hobbys wie Joggen, Bergsteigen und Skifahren nach. In seiner Münchner Studentenzeit hat er Günther Beckstein kennen gelernt, der ebenfalls ein begeisterter Bergsteiger war. »Wir sind dann häufig mit anderen Kommilitonen mit Becksteins Lloyd, der im Volksmund Leukoplastbomber genannte wurde, in die Berge gefahren.« Als Steckenpferde nennt Rödl heute auch Architektur und Kunst. »Und jetzt habe ich in meinen Alter auch noch mit Golf begonnen.«
Wolf R. Scharff