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In Bayern haben Ältere eine starke Stimme

Der Landesseniorenrat soll älteren Menschen politisch Gehör verschaffen und tritt damit in Konkurrenz zur Landesseniorenvertretung. Foto: Pixabay

Heute leben rund 2,7 Millionen Menschen über 65 Jahren in Bayern – Tendenz steigend. Bis 2024 wird hier voraussichtlich jeder Dritte im Seniorenalter sein. Diese demografische Entwicklung bringt neue Herausforderungen mit sich, für die Seniorenvertretungen wichtige Ansprechpartner sind. Diese Gremien arbeiten auf verschiedenen Ebenen – von der kommunalen über die Bezirks- bis zur Landesebene – und geben älteren Menschen eine Stimme in politischen Entscheidungsprozessen.

In Bayern haben sich drei wesentliche Strukturen entwickelt, die ähnliche Themen bearbeiten, aber unterschiedlich entstanden sind und verschiedene Kompetenzen haben: Neben der Landesseniorenvertretung Bayern und kommunalen Gremien, wie beispielsweise die Stadtseniorenräte Nürnberg oder Fürth, gibt es als neues Sprachrohr den Landesseniorenrat.

Der Landesseniorenrat (LSR)

Kunigunde Budzinski vom Landesseniorenrat.

Im März 2023 hat der Bayerische Landtag das Seniorenmitwirkungsgesetz verabschiedet, dessen zentraler Punkt die Einrichtung des Landesseniorenrats ist. Damit wurde eine Form der politischen Beteiligung älterer Menschen gesetzlich verankert. Im April 2024 nahm der LSR seine Arbeit auf. Als relativ junges Gremium wird der LSR vom Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales durch eine eigene Geschäftsstelle unterstützt.

»Das Ministerium finanziert die Arbeit des LSR, aber die Entscheidungen werden eigenständig getroffen«, betont die Vorständin Kunigunde Budzinski. Die Nähe zum Ministerium erleichtert den Kontakt zu politischen Entscheidungsträgern.

Der LSR beschäftigt sich mit grundlegenden Fragen rund ums Älterwerden in Bayern und unterstützt Städte und Gemeinden bei der Gründung oder Erhaltung eigener Seniorenvertretungen. Die Mitgliedschaft steht Vertreterinnen und Vertretern kommunaler Seniorenvertretungen offen, ist freiwillig und kostenfrei. Bisher sind rund 620 von etwa 2100 bayerischen Gemeinden im LSR vertreten.

Die Struktur des LSR ist durch das Seniorenmitwirkungsgesetz und die Geschäftsordnung festgelegt. Die Mitglieder wählen Delegierte für die Landesversammlung. Die Delegierten der Bezirke wiederum wählen ihren Vorstand für den entsprechenden Bezirk. In thematischen Fachausschüssen oder vom Vorstand werden Stellungnahmen erarbeitet und nach Zustimmung durch die Landesversammlung oder bei Dringlichkeit durch den Hauptausschuss an die entsprechenden Gremien oder Ministerien weitergeleitet.

Die Landesseniorenvertretung Bayern (LSVB)

Franz Wölfl von der Landessenioren­vertretung.

Während der LSR durch den Staat initiiert wurde und unterstützt wird, ist die Landesseniorenvertretung historisch gewachsen und seit 40 Jahren aktiv. Der Verein gründete sich auf Initiative des Seniorenbeirats München als landesweiter Dachverband für die Seniorenarbeit.

Die LSVB ist parteipolitisch unabhängig und nicht weisungsgebunden. Sie vertritt rund 200 kommunale Seniorenvertretungen und finanziert sich mittlerweile ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen, nachdem die staatliche Förderung eingestellt wurde.

Die ehrenamtliche Struktur der LSVB besteht aus der Landesdelegiertenversammlung, einem Beirat und einem Vorstand. Eine hauptamtliche Geschäftsführung unterstützt die Arbeit der Ehrenamtlichen. Die LSVB organisiert Fachtagungen und verfasst Positionspapiere für politische Entscheidungsträger.

Eines ihrer zentralen Themen ist die Digitalisierung. Dabei verfolgt sie einen doppelten Ansatz: Einerseits werden Seniorinnen und Senioren an digitale Technik herangeführt, andererseits setzt sich die Vertretung für den Erhalt analoger Zugangswege ein.

»In der heutigen Zeit ist es dringend notwendig, dass sich ältere Menschen mit digitaler Technik auseinandersetzen können. Und das muss politisch abgesichert werden«, heißt es von der LSVB. Obwohl LSR und LSVB ähnliche Ziele verfolgen, gestaltet sich die Zusammenarbeit schwierig. »Wir wollen unabhängig auftreten. Das ist wichtig, um in der Öffentlichkeit auch einmal kritische Positionen vertreten zu können«, sagt Franz Wölfl von der LSVB. Und Kunigunde Budzinski vom LSR betont: »Eine Kooperation mit der LSVB ist aufgrund der momentanen angespannten Situation leider nicht möglich.«

Der Stadtseniorenrat Nürnberg

Christian Marguliés vom Stadtseniorenrat Nürnberg. 

Auf kommunaler Ebene arbeiten Seniorenvertretungen unterschiedlich. Im Nürnberger Stadtseniorenrat vertreten 58 Delegierte die Interessen von rund 150.000 Seniorinnen und Senioren, die etwa ein Drittel der Nürnberger Gesamtbevölkerung ausmachen. »Unsere Vision ist, dass sich Seniorinnen und Senioren in Nürnberg sicher und wohlfühlen«, sagt der Vorsitzende Christian Marguliés.

Der Stadtseniorenrat Nürnberg hat verschiedene Arbeitskreise eingerichtet, deren Mitglieder sich um Bereiche wie Gesundheit, Wohnen, Kultur und Verkehr kümmern. Die Leiter der Arbeitskreise bringen die Themen ein, die dann bearbeitet werden, wenn sich Personen dafür gefunden haben.

Neben der politischen Teilhabe erstellt der Stadtseniorenrat auch Informationsbroschüren für Seniorinnen und Senioren. Ein wichtiger Grundbaustein der Arbeit ist die Vernetzung mit den Stadtratsfraktionen und verschiedenen Netzwerkpartnern. Der Vorsitzende hat zudem direkten Zugang zum Oberbürgermeister und der Stadtseniorenrat verfügt über ein Antragsrecht.

»Es geht nicht nur darum, die Anliegen sichtbar zu machen, sondern auch schon Lösungsideen mitzuliefern«, betont ­Marguliés.

Der Stadtseniorenrat Nürnberg ist sowohl Mitglied bei der LSVB als auch beim LSR. Allerdings kritisiert Christian Marguliés am LSR, dass große Kommunen innerhalb der Landesversammlung weniger Gewicht haben und bedauert, »dass die Staatsregierung etwas Eigenes aufgebaut hat«, ohne die bereits vorhandenen Strukturen zu nutzen.

Die Zukunft der Seniorenarbeit in Bayern steht vor der Herausforderung zweier parallel existierender Strukturen auf Landesebene. Während der gesetzlich verankerte LSR mit staatlicher Unterstützung arbeitet, bringt die LSVB vier Jahrzehnte Erfahrung und unabhängiges Engagement mit. Beide verfolgen letztlich das gleiche Ziel: die Interessen der älteren Generation in Bayern zu vertreten und ihre Lebensbedingungen zu verbessern.

Text: Lea Kiehlmeier
Fotos: Michael Matejka, privat, Pixabay

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