Zeichnung: Sebastian Haug
Anders als ich ist er mit seinem Nachtleben offenbar hoch zufrieden. Ich hingegen hadere mit meinem Schicksal, genauer mit meinem Gehirn. Warum, in drei Teufels Namen, kann es nachts nicht Ruhe geben, wie es sich gehört? Kaum lege ich mich nieder und schließe hoffnungsvoll die Augen, beginnen die Räder in meinem Oberstübchen zu rattern. So schnell kann ich kaum denken, wie mich meine diversen Probleme und Problemchen überfallen und auf der Stelle nach einer Lösung verlangen.
Auch mein Langzeitgedächtnis ist superaktiv. Es hadert mit Eltern und Lehrern und beschwert sich über vermeintliches Unrecht, das gefühlte hundert Jahre verjährt ist. Als mein Gehirn von banal auf dramatisch schaltet und sich die Zukunft mit Verarmung, Krankheit und jedweden Schicksalsschlägen ausmalt, stehe ich entnervt auf. Heiße Milch mit Honig soll ruhig und müde machen. Haha!
»Ich bin überhaupt nicht ruhig«
Überhaupt scheine ich ziemlich resistent zu sein gegenüber jedwedem Versuch, zu einem wohligen Nachtschlaf zu gelangen. Mein Schlafzimmer ist gut gelüftet, ich habe nur ein leichtes Abendessen zu mir genommen, ein winzig kleines Glas Bier getrunken, nichts Problematisches gelesen und auch keinen Horrorfilm angeschaut. Falsch, falsch, falsch, rufen die Experten. »Trinken Sie ein Glas Rotwein vor dem Zubettgehen, ermüden Sie Ihren Geist mit einer schwierigen Lektüre oder entspannen Sie sich mit Autogenem Training!« – Alles schon probiert: »Ich bin gaanz ruuhiiig, ich bin gaanz ruuhiig…«. Von wegen. Ich bin überhaupt nicht ruhig, und mein Sonnengeflecht ist keineswegs strömend warm.
Mal schauen, was sich zu meinem Thema im Internet findet – das weiß doch immer alles. Neben Altbekanntem erfahre ich auch Brandneues. Zum Beispiel soll ein Bett aus Zirbenholz positive Auswirkungen auf den Schlaf haben. Also ein neues Bett? Nein, zu teuer. Wie wäre es mit einer »Zentralsonne«, ein Gerät, das angeblich die schädlichen Einflüsse von Elektrosmog, Wasseradern und Erdstrahlen reduziert? Besser nicht, klingt irgendwie komisch. Kurz erwäge ich den Erwerb eines Wasserkopfkissens, das soll enorm entspannen. Oder doch lieber ein mit Lavendel gefülltes Säckchen auf‘s Kopfkissen platzieren? Das riecht gut, ist preiswert und kann garantiert nicht schaden.
Tagsüber tröste ich mich mit den einschlägigen Erfahrungen diverser Leidensgenossinnen. »Du kannst nicht gut schlafen? Hach, wem sagst du das? Wenn ich mal drei Stunden am Stück schlafe, ist das schon ein Rekord!« Oder: »Was ich schon alles geschluckt habe, das stellst du dir nicht vor!«
O doch, habe ich nämlich auch. Hilft bestenfalls temporär. Interessant übrigens der Aspekt, was wir Schlaflosen in der Nacht so alles treiben. Eine meiner Freundinnen stellt sich ans Fenster und schaut lange und trübsinnig auf die menschenleere Straße. Eine andere liest komplizierte Kochrezepte. »Probierst du sie am nächsten Tag aus?«, will ich wissen. »Ach wo, das wäre mir viel zu aufwendig«, wehrt sie ab. Nummer drei der Befragten schimpft auf das Fernsehprogramm, das nachts noch schlechter sein soll als tagsüber. »Ich poliere meine Badezimmerfliesen«, verrät Nummer vier und findet sich selbst ziemlich kurios. »Es ist so eine schön doofe Tätigkeit, bei der man völlig abschaltet. Manchmal kann ich danach einschlafen.« Kann ja sein, ist aber wohl auch nicht nach jedermanns Geschmack.
Man müsste einen Klub gründen, den »Klub der Schlaflosen«. Nachts riefe man sich gegenseitig an, hätte herrlich viel Zeit, ungestört zu ratschen und fühlte sich verstanden von wohlmeinenden Gleichgesinnten. Die Sache hat nur einen Haken: Wer weiß, vielleicht hätte die angewählte Leidensgenossin gerade eine Glücksnacht und läge ausnahmsweise in tiefem Schlummer. Wie herzlos, sie da herauszureißen. Also wieder nichts – uahh, gute Nacht.
Brigitte Lemberger
Cartoon: Sebastian Haug
Eine Antwort
Warme Milch oder Melatonin hilft mir einzuschlafen.