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Tatkräftige Heimatpfleger in Gräfenberg

Blick auf Gräfenberg aus dem Haus Gesteigertor. Foto: Mile Cindric
Da könnten einem glatt die unbeugsamen Gallier aus den Asterix-Heften einfallen, wenn man die Arbeit des rührigen Altstadtvereins Gräfenberg betrachtet. So, wie sich die Comic-Helden den Römern nicht geschlagen geben wollen und ihren Kampf gegen den übermächtigen Feind unbeirrt fortsetzen, so möchten sich auch Altstadtvereinschef Otto Müller und seine Mitstreiter nicht unterkriegen lassen. Ihr Gegner ist der Zahn der Zeit. Er nagt unaufhörlich an den Gebäuden des kleinen Ortes im Landkreis Forchheim. Die alten Gemäuer machen den Reiz dieses mittelalterlichen, noch teilweise von Mauern umgebenen, 4200-Einwohner-Städtchens hoch droben über der Kalkach aus.
»2008 – Kauf und beginnende Sanierung des südlichen Stadttors (Gesteigertor)« heißt es lapidar in einem kleinen Infoblatt über die Projekte aus der zehnjährigen Arbeit des noch recht jungen Vereins. Welche großen Ergebnisse diese Dekade allerdings schon hervorgebracht hat, kann man erahnen, wenn man vor diesem Stadttor steht, einem imposanten, dreigeschossigen Walmdachbau. Er beherbergte nach der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg zunächst eine Stadtknechtswohnung. Im 19. Jahrhundert erhielt er seine heutige Gestalt. Betrachtet man dabei die Fotos aus der Zeit vor der Sanierung, dann wächst der Respekt vor der Leistung der beherzten Baumannschaft um Otto Müller. Und noch mehr Achtung hat man, wenn man erfährt, dass es die Senioren des 160-Mitglieder-Vereins waren, die das Gebäude eigenhändig restauriert haben, nachdem es unmittelbar vor dem Verfall stand.
Gebündelter Sachverstand
Vier Jahre lang traf sich die bunt zusammengewürfelte Truppe jeden Mittwoch gegen 14 Uhr. Bis zum Einbruch der Dämmerung wurde am Wiederaufbau von Dach und Rinne, an der Nord- und Südfassade und schließlich am Innenausbau gearbeitet. Vorstand Otto Müller, Jahrgang 1941, war früher Lehrer und saß 24 Jahre im Gräfenberger Stadtrat. Der gleichaltrige zweite Vorsitzende Fred Reil war selbstständiger Kaufmann, Hermann Danter (66) gelernter Werkzeugmacher. Wie auch sein Kollege Jakob Schiller, der mit seinen 74 Jahren ebenfalls kräftig mithalf. Mit Ernst Wagner (Jahrgang 1948) kam der Sachverstand eines Elektrikers dazu. Die Brüder Klaus und Uli Wascher (beide über 60) zeigten sich handwerklich ebenso begabt wie der mit 50 Jahren Jüngste im Bunde, Hausmeister Herbert Meier und sein Mitstreiter Adolf Oßmann (Jahrgang 1937). Letztere steuerten ebenfalls gründlich Sachverstand aus den Bereichen Metallbearbeitung und Holz bei.
Unterstützt, aber auch kritisch begleitet wurde die Baugruppe von Beginn an von den Mitarbeitern des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege. Denn die Eigenmittel des Vereins reichten natürlich bei weitem nicht aus, um dieses ehrgeizige Projekt zu stemmen. Und so galt es, Voruntersuchungen für die Erstellung der Sanierungspläne in Auftrag zu geben, den Kontakt mit den unterschiedlichsten Behörden zu suchen und Zuschusstöpfe aufzumachen, aus denen dann auch die nötigen Mittel flossen. Jeder Bauherr weiß, welcher Aufwand da bereits ansteht, bevor überhaupt die erste Maurerkelle in die Hand genommen werden kann. Letztlich zeigten sich die zuständigen Behörden aber von dem Vorhaben angetan und steuerten die nötigen Gelder bei.
Stattliche Eigenleistung
»Und dann haben wir tüchtig Staub g‘fressn«, erinnert sich Otto Müller, als das Projekt endlich in trockenen Tüchern war. Er selber konnte diesen Staub nicht immer bei der traditionellen Vesper nach dem Tagwerk hinunterspülen – für ihn sei am Mittwochabend nämlich Singstunde angesagt, erinnert er sich schmunzelnd.
Fast 4.000 Stunden Freizeit stecken jetzt im schmucken Stadttor – das entspricht umgerechnet etwa 60.000 Euro an Eigenleistung für das 300.000 Euro teure Renovierungsprojekt. Da kann schon Stolz aufkommen bei den Aktivsenioren in Gräfenberg. Und auch Dankbarkeit für einen unfallfreien Verlauf.
Der südliche Zugang zur Altstadt zeigt sich Einheimischen und Touristen wieder in einem erfreulich schönen Zustand, der Verein kann im Erdgeschoss des Torhauses sein Büro und Archiv einrichten sowie im ersten Stock eine kleine Wohnung vermieten. »Geplant ist auch, einen Raum dem aus der Stadt stammenden mittelhochdeutschen Epiker Wirnt von Grafenberg zu widmen«, sagt Otto Müller.
Es gibt noch viel zu tun
Der Kampf der Baugruppe Altstadtverein gegen den »Eindringling Verfall« ist allerdings noch lange nicht zu Ende. Schließlich warten noch unzählige Objekte auf ihre Erweckung aus dem Dornröschenschlaf. Außerdem stellen sich den Altstadtfreunden noch viele andere Aufgaben. Zum Beispiel will man sich um wissenshungrige Wanderer kümmern, die etwas über die Geschichte des »südlichen Eingangstores zur Fränkischen Schweiz« erfahren wollen. Stadtführungen sind deshalb ebenso ein Schwerpunkt der Vereinsarbeit wie die »Gewandschneiderey« oder Vorträge zu stadtgeschichtlichen Themen und Brauvorführungen. Immerhin liegt Gräfenberg am 2008 eröffneten »Fünf-Seidla-Steig«, einem Wanderweg zwischen den vier Brauereien der Gemeinde und der Klosterbrauerei Weißenohe. Kein Wunder also, dass der Verein bereits die Sanierung eines Bierkellers erfolgreich abgeschlossen hat und einen bebilderten Rundgang zur Stadtgeschichte und Biertradition anbietet.
Spätestens bei der Einweihungsfeier des neuen Gesteigertors werden die Gedanken der Bautrupp-Mitglieder zum nächsten baufälligen Tor wandern. Das Versprechen an die Ehefrauen, bei der nächsten Renovierung bestimmt nicht wieder an vorderster Front zu stehen, dürfte dann erneut ins Wanken geraten. Denn dazu haben die Bausenioren ihr Gräfenberg viel zu sehr ins Herz geschlossen.
Karin Jungkunz, Fotos: Mile Cindric
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Wer sich für die Arbeit der Altstadtfreunde oder auch für die Stadtführungen durch Gräfenberg interessiert, kann sich direkt an Otto Müller wenden. Er ist erreichbar unter Tel. 09192 / 338.
Am Tag des offenen Denkmals am Sonntag,
9. September, kann das Tor von 13 bis
17 Uhr besichtigt werden.
Otto Müller (links) 1. Vorsitzender und Herbert Hammerand (rechts) Schriftführer von den Altstadtfreunden Gräfenberg an einer renovierten Tür. Foto: Mile Cindric

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