Am 21. September ist Welt-Alzheimertag. Das wird weltweit gewürdigt. Aber: Die Zahl der Demenzerkrankungen, davon zwei Drittel vom Typ Alzheimer, nimmt weiterhin ständig zu, und die Zeit drängt, Lösungen zu finden. Inzwischen ist bereits jeder Vierte über 80 betroffen. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Erkrankten von etwa 1,2 Millionen auf 2,4 Millionen steigen, sofern kein Durchbruch in der Therapie gelingt. Der hohe und lange Pflegeaufwand macht sie zu einer der teuersten Krankheiten, deren Kosten weiter steigen werden, wie aktuelle Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zeigen.
Die Alzheimer-Gesellschaften wenden sich dieses Jahr weltweit unter dem Motto „Gesichter der Demenz“ an die Öffentlichkeit. „Wir zeigen, dass Demenzerkrankungen viele Gesichter haben, dass sowohl hochaltrige als auch relativ junge Menschen betroffen sind, dass die Krankheitsverläufe unterschiedlich sind, dass Menschen im frühen Stadium oft mit ein wenig Unterstützung noch selbstständig leben können, während im Endstadium der Krankheit oft intensive Betreuung und Pflege notwendig sind“, so Heike von Lützau-Hohlbein, Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V.
„Entsprechend brauchen wir eine passgenaue medizinische Behandlung, Pflege und soziale Unterstützung. Hier ist, wie wir jeden Tag etwa am Alzheimer-Telefon erfahren, noch viel zu tun. Schon lange liegen Vorschläge zur Reform der Pflegeversicherung auf dem Tisch – etwa hinsichtlich einer Definition der Pflegebedürftigkeit und eines Begutachtungsverfahrens – die die speziellen Bedürfnisse Demenzkranker berücksichtigen. Die Betroffenen und ihre Angehörigen brauchen dringend bessere Betreuung, Pflege und Unterstützung. Doch unsere Politiker reden über die Finanzierung, sie reden von „privater Zusatzpflichtvorsorge“, „Kapitaldeckung“, „Demographiereserve“ oder „Demenzversicherung“. Wann begreifen sie, dass es in erster Linie um die kranken Menschen geht?“
„Bislang gibt es kein Medikament, das die Alzheimer-Krankheit heilen kann. Wann und ob überhaupt eine solche Arznei zur Verfügung stehen wird, lässt sich nicht vorhersagen“, so Prof. Ralf Ihl vom Vorstand der Hirnliga e. V. „Die Forschung geht intensiv voran und es gibt vielversprechende Ergebnisse, aber auch Ernüchterungen, so ist etwa die Euphorie über eine baldig verfügbare ursachenbezogene Behandlung verflogen. Als Forscher können wir nur immer wieder dringend empfehlen, alle heute schon vorhandenen Möglichkeiten zur Vorbeugung und Behandlung zu nutzen. Bei einer frühzeitigen Diagnose und rechtzeitigem Beginn der Therapie ist es möglich, den Verlauf der Alzheimer-Krankheit positiv zu beeinflussen“, so Prof. Ihl weiter.
Dabei sollen Medikamente, nichtmedikamentöse Therapien und pflegerische Maßnahmen in einem therapeutischen Gesamtkonzept eingesetzt werden. Die Therapien bewirken eine Verlangsamung der Krankheitsentwicklung und ermöglichen den Betroffenen und ihren Angehörigen, über einen längeren Zeitraum in Selbstbestimmung und Würde zu leben. Durch eine deshalb später erfolgende Aufnahme in Pflegeheime werden zusätzlich noch Kosten gespart.
„Bei psychisch kranken Älteren, insbesondere den Alzheimer-Kranken, herrscht seit Jahren eine klare medizinische Unter- und Fehlversorgung“, so der Präsident der deutschen Alterspsychiater Prof. Dr. Hans Gutzmann. „Viele Alzheimer-Patienten sind unerkannt und werden nicht behandelt. Aber auch bei jenen, die erkannt wurden, ist eine spezifische Behandlung leider nicht obligatorisch, auch kommt trotz des sehr komplexen Krankheitsbildes nur etwa jeder zehnte Alzheimer-Kranke im Laufe seiner Krankheit mit einem Facharzt in Kontakt. Diese Tendenz zur Unterversorgung setzt sich selbst in den Abteilungen für Alterspsychiatrie fort. Waren diese in den vergangenen Jahrzehnten Motor für eine Vernetzung und Verbesserung der ambulanten Versorgung, so können heute viele wegen fehlendem und überlastetem Personal schon länger nicht mehr mit der notwendigen Intensität und Qualität arbeiten.“
Deshalb fordern Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und –psychotherapie, Deutsche Alzheimer Gesellschaft und Hirnliga, dass die Gesundheitspolitik sich endlich um eine bessere Versorgung der an Demenz leidenden Menschen kümmern muss.