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Für Oxfam wurde Edeltraut Janke zur Designerin

Edeltraut Janke hat tolle Ideen für ihr Ehrenamt bei Oxfam. Foto: Mile Cindric
Edeltraut Janke hat tolle Ideen für ihr Ehrenamt bei Oxfam. Foto: Mile Cindric
Früher befand sich in Edeltraut Jankes Zuhause im Nürnberger Nordosten ein Gästezimmer. Heute ist der Raum eher ein Krawattenlager: 500 Exemplare lagern darin – fein säuberlich sortiert nach Muster, Farbe, Material. Was eine Frau mit so vielen Krawatten macht? Ganz einfach: neue Mode! Denn Edeltraut Janke schneidert aus Schlipsen originelle Handtaschen, Röcke und Schals, manchmal auch Handytaschen und Broschen.
Basteln, Nähen und Stricken waren schon immer die Hobbys der 71-Jährigen. Vor vier Jahren wurde sie durch Zufall zur Mode-Designerin, die aus alten Bindern Neues schafft: Wegen eines Armbruchs war sie in ihrer Mobilität stark eingeschränkt und musste aufs Radfahren, Schwimmen und sogar aufs Autofahren verzichten. Doch sie besuchte weiterhin kulturelle Veranstaltungen. Dort kam sie mit einer Frau ins Gespräch, die ihr erzählte, dass sie Taschen aus alten Krawatten herstellt. Edeltraut Janke gefiel diese Spielart der Schneiderei so gut, dass sie sich erste Grundschnitte aus dem Internet herunterlud. Und sie stieß so auf ein lukratives Geschäftsfeld: Über 650 Taschen hat die Nürnbergerin inzwischen verkauft, mehr als 14.000 Euro damit eingenommen – und zwar für einen guten Zweck.
Denn die Erlöse wandern nicht in Jankes eigene Tasche, sondern kommen der Hilfsorganisation Oxfam zugute. Diese setzt sich gegen die Armut weltweit ein, finanziert Hilfsprojekte wie den Bau von Brunnen oder Schulen in benachteiligten Regionen dieser Welt und stößt Kampagnen an, etwa gegen Spekulationen mit Lebensmitteln. Ein Drittel des Geldes erwirtschaftet die Organisation über Second-Hand-Läden, die Oxfam-Shops. In Deutschland gibt es bereits 42 davon, einer steht seit dem Jahr 2008 in Nürnberg. Betrieben werden die Shops ausschließlich von ehrenamtlichen Helfern.
Edeltraut Janke ist in Nürnberg seit der ersten Stunde dabei. Einen Vormittag pro Woche verbringt sie im Shop, sortiert Spenden, preist sie aus, verkauft im Laden mit. Denn alles, was Oxfam veräußern will, wurde gespendet und muss sachkundig begutachtet werden. Unter dem Motto »Wir machen Überflüssiges flüssig« nehmen die Shops der Hilfsorganisation gebrauchte und gut erhaltene Kleider, Bücher, Haushaltswaren und Spielzeug an.
Gebraucht und gut erhalten
Edeltraut Jankes Krawatten-Taschen hingegen waren anfangs gar nicht für den Verkauf gedacht, vielmehr beglückte die ehemalige Altenpflegerin Kinder und Freunde damit. Bis eine Kollegin sagte: »Biete sie doch im Shop an!« Die Schneiderin wehrte ab: »Ach was, die will doch keiner«, – und lag damit kräftig daneben.
Die ungewöhnlichen Produkte sprachen sich herum: Ihre Umhängetaschen gibt es in unterschiedlichen Größen, die Krawatten sind dafür längs zusammengenäht und naturgemäß auffällig koloriert oder gemustert, denn Edeltraut Janke hat natürlich nie sechs gleiche Krawatten zur Hand. Für manche Taschen kombiniert sie verschiedene Streifenkrawatten, andere sind kariert oder mit auffälligen Motiven versehen. Manchmal verwendet sie auch die dreieckigen Schlips-Spitzen, sie schauen dann über den unteren Rand der Tasche hinaus.
Lieferung aus Paris
Bald erreichten unzählige Krawattenspenden den Shop. »Eigentlich wollte ich ja aufhören mit den Taschen. Aber die Kunden lassen mich nicht«, erzählt die 71-Jährige. Da kam zum Beispiel die Witwe, die die alten Schmuckstücke ihres verstorbenen Mannes vorbeibrachte und daraus eine Tasche haben wollte. Und da war die Industriellengattin Carmen Würth, die gleich für 100 Euro Schals bei Edeltraut Janke kaufte und hinterher die Pariser Krawatten-Modelle ihres Mannes für einen Großauftrag schickte.
Inzwischen ist die Designerin mit dem flotten Kurzhaarschnitt und der sympathischen Ausstrahlung mit ihren Kreationen viel auf Ausstellungen unterwegs, immer im Namen von Oxfam. Allein auf der Messe Inviva im Frühjahr nahm sie gut 600 Euro ein. Für eine große Tasche verlangt sie 30 Euro, für einen Rock 150. »Ich habe die Preise
extra angehoben, damit weniger gekauft wird«, erzählt Janke.»Aber es hilft nichts.«
»An ihren Werken kommt halt keine Frau vorbei«, sagt Jürgen Heußner und lacht. Der 69-Jährige engagiert sich wie Janke bei Oxfam, hat den Nürnberger Laden mit aufgebaut und leitet ihn inzwischen. 30 Jahre lang war er bei der VAG in führenden Positionen tätig, »das Planen und Managen liegt mir einfach«. Nach anderthalb Jahren im Ruhestand suchte er dann eine neue Herausforderung – und stieß zufällig auf eine Zeitungsannonce, in der Oxfam Mitarbeiter für seinen geplanten Laden in Nürnberg suchte.
Heußner war von Anfang an begeistert von der Arbeit, war erst ehrenamtlicher Schicht-, später dann Shopleiter. Heute koordiniert er knapp 70 Mitarbeiter, kümmert sich um den Papierkram, erstellt Schichtlisten und übernimmt Hausmeister-Arbeiten. Außerdem steht er selbst einmal pro Woche hinter dem Verkaufstresen oder im Lager, wo er für CD- und DVD-Spenden zuständig ist. Für sein Nürnberger Team hat er nur lobende Worte parat: »Hier ziehen alle an einem Strang, sind begeisterungsfähig und zuverlässig. Diese Motivation ist sehr wohltuend; das kenne ich aus dem Berufsleben so nicht.«
Welche Muster passen zusammen?
Kein Wunder, dass der 69-Jährige inzwischen sogar auf anderer Ebene bei der Organisation mitmischt: Er ist Mitglied im Verein Oxfam Deutschland. Wenn dort die Gelder verwaltet und Hilfsprojekte koordiniert werden, ist Heußner die Stimme der ehrenamtlichen Ladenmitarbeiter. Immerhin ist die Oxfam Shop GmbH eine hundertprozentige Tochter des Vereins und hat 2012 über zehn Millionen Euro Bruttoumsatz erzielt.
Die Nachfrage nach diesen individuellen Röcken ist groß. Foto: Mile Cindric
Die Nachfrage nach diesen individuellen Röcken ist groß. Foto: Mile Cindric

Wie Heußner ist auch der Name Edeltraut Jankes in der Oxfam-Welt hinreichend bekannt. Aus ganz Deutschland schicken die Läden gespendete Schlipse an die Nürnbergerin, sie wiederum beliefert die Shops in Stuttgart, Lübeck, Berlin, Frankfurt und Münster mit ihren Kreationen. »Die Krawattenmode ist mein Ehrenamt im Ehrenamt«, sagt Janke lachend. An einer Tasche näht sie mindestens zwei Stunden, für einen Rock, der aus 16 Krawatten besteht, fällt mehr als ein Tag Arbeit an. Am längsten dauert das Entwerfen: Welche Muster passen zusammen? Wie können die unterschiedlich breiten Binder so gestückelt werden, dass es eine Einheit ergibt?
Inzwischen haben schon verschiedene Nürnberger Einzelhändler angeboten, ihre Taschen zu verkaufen. »Aber ich will nicht, dass andere etwas daran verdienen«, sagt sie resolut. Schließlich passt die Krawattenmode doch so gut zum Konzept von Oxfam: »Das ist Recycling in seiner schönsten Form: Aus den Jugendsünden unserer Männer entsteht Mode von heute.«
Annika Peißker; Fotos: Mile Cindric
Der Oxfam-Shop befindet sich in der Dr.-Kurt-Schumacher-Straße 16 in Nürnberg, Tel. 0911 20 29 510. Er ist montags bis freitags von 10 bis 19 Uhr und samstags von 10 bis 15 Uhr geöffnet. Spenden können während der Öffnungs-zeiten abgegeben werden.

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