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Trauerreisen: Mitgefühl wird mitgebucht

In den 46 Jahren ihrer Ehe war es Hannelore Wozny gewohnt, nie etwas ohne ihren Mann zu machen. Nach seinem Tod fühlte sie sich plötzlich nur als »halber Mensch« und traute sich nichts mehr zu. Unvorstellbar, ohne ihn auf Reisen zu gehen. Nach Monaten wurde ihr klar, dass sie etwas unternehmen musste. Sie buchte bei TUI eine »Reise ins Leben«, ein Angebot speziell für Trauernde. »Zum ersten Mal nach dem Tod meines Mannes konnte ich wieder lachen und singen«, erzählt die Kölnerin.
In der Gemeinschaft von Gleichgesinnten fühlte sie sich gleichberechtigt und gewann rasch an Selbstvertrauen. In der Gruppe hat sie neue Freunde gewonnen, mit denen sie – trotz der Entfernung – bis heute einen regen Austausch an Gesprächen pflegt und gemeinsam Aktivitäten unternimmt. »Die emotionale Lücke lässt sich nicht schließen, aber die Zeit, die jetzt leer ist, kann man mit neuen Menschen und Aktivitäten füllen«, sagt sie.

Die Lücke, die ein geliebter Mensch nach seinem Tod hinterlässt, ist nicht zu schließen, aber die leere Zeit kann mit Aktivitäten und neuen Erlebnissen gefüllt werden. Eine Möglichkeit dafür bieten Trauerreisen.
Mit »Reisen ins Leben« ist TUI seit März 2010 der größte und jüngste Veranstalter für Trauerreisen. Das Angebot umfasst 24 Reisen zu sechs Zielen, darunter auf die Blumeninsel Madeira, nach Kreta und Mallorca. Zum Teil schon sehr viel länger wenden sich die kleineren Veranstalter Regen-Bogen-Reisen und TrauDichReisen speziell an Menschen, die einen geliebten Menschen verloren haben. Bei den Anbietern Wendepunkte und Sail-and-Care können Trauernde Segeltörns mit Trauerbegleitung buchen.
TUI legt bei der Buchung großen Wert auf ein Vorgespräch mit Fritz Roth von der Trauer Akademie in Bergisch Gladbach. Roth verbrachte neun Jahre im Kloster, weil er Priester werden wollte. Nach dem Wirtschaftsstudium war er zehn Jahre beim Energieriesen RWE tätig, bevor er erneut eine berufliche Wende vollzog: Er erwarb ein Bestattungsinstitut. Anfangs bestand sein Ziel darin, den Angehörigen durch persönlich gestaltete Rituale einen würdevollen Abschied von den Verstorbenen zu ermöglichen. Schon bald erkannte er jedoch die Notwendigkeit, den oft unter Schock stehenden Hinterbliebenen durch ausgebildete Trauerbegleiter, spezielle Vorträge und Seminare beizustehen, sich mit dem Tod und somit auch mit dem Leben zu versöhnen.
Kunst, Kultur und Kulinarisches
Als einen besonderen Pluspunkt nennen die TUI-Reisegäste einen ausschließlich von ihnen persönlich gestalteten und nur von ihnen genutzten Raum im jeweiligen Hotel. Hier versammelt sich die Gruppe nach dem Frühstück für gemeinsame Gespräche und Rituale der Trauerverarbeitung. Der Rest des Tages ist Wanderungen, Kunst, Kultur und kulinarischen Freuden in schönem Ambi-ente gewidmet.
Bei Regen-Bogen-Reisen nehmen eine oder zwei in der Trauerarbeit ausgebildete Begleiterinnen und ein Reiseleiter die Gäste bereits am Flughafen persönlich in Empfang, berichtet Firmengründerin Irma Heyne-Beuse. Sie stehen den Reisenden rund um die Uhr auch für Einzelgespräche zur Verfügung. Die Unterbringung der zwölf bis 20 Teilnehmer erfolgt in Doppelzimmern zur Alleinbenutzung in kleinen, familiären Hotels mit behaglicher Atmosphäre und in idyllischen Natur- und Kulturlandschaften gelegen. Die Nähe zum Wasser, sei es ein Fluss, ein See oder das Meer, ist den Veranstaltern wichtig. Der gelungene Mix zwischen Gesprächen, Wandern in der malerischen Umgebung, Besuch von Kulturgütern und geselligem Zusammensein macht die Teilnehmer wieder empfänglich für Freude. Das Alter der Teilnehmer bewegt sich zwischen 30 und 80 Jahren. Frauen sind üblicherweise in der Mehrzahl.
Das Motto von Regen-Bogen-Reisen »Von der Trauer über eine Brücke zum neuen Leben« ist für Irma Heyne-Beuse kein lee-res Wort. 30 Jahre lang hatte sie ein kleines Reisebüro und wenig Zeit, um an den Ruhestand zu denken. Ein halbes Jahr, nachdem sie es verkauft hatte, starb ihr Mann. Erst nach Monaten fand sie im Jahr 2005 den Weg zu einem Gesprächskreis für Trauernde, aus dem der Wunsch nach der Organisation einer solchen Reise an sie herangetragen wurde.
Journalisten brachten den Erfolg
Zusammen mit ihrer Schwester Hilde Peters organisiert die mittlerweile 73-Jährige Reisen für Trauernde. Die erste, eine Kreuzfahrt auf der Rhône, fand 2007 statt. Der Anfang war recht zäh, erinnert sie sich. Der Erfolg kam nach einer Schiffsreise auf dem Dnjepr in Russland, auf der sich einige Journalisten mit an Bord befanden. Sie sollten über das Schiff berichten und wurden aber dabei auf ihre Reisegruppe aufmerksam. Die dann folgenden Berichte in großen Zeitungen brachten das Geschäft in Schwung.
Bestimmte Zeiten für Gespräche sind auf ihren Reisen nicht vorgesehen. Heyne-Beuse hält es für wichtiger, gemeinsam etwas zu unternehmen und für den Einzelnen individuell zu jeder Tages- und Nachtzeit präsent zu sein. Für 2011 stehen Mallorca, Zypern, Abano Terme, Wellness am Tegernsee, Madeira und eine Kreuzfahrt ins östliche Mittelmeer auf dem Programm.
Seit »TrauDichReisen« vor 13 Jahren den dritten Platz im Existenzgründerpreis in Berlin erreicht hat, ist das Unternehmen im-mer wieder Thema in den Medien gewesen. Die Veranstalterin Martina Taruttis, Jahrgang 1958, ist Soziologin mit Diplom als Trauerberaterin. Sie besitzt langjährige Erfahrung in der Hospizarbeit und ist eine Mitarbeiterin der Trauer Akademie von Fritz Roth.
TrauDichReisen hat nicht nur den Verlust eines geliebten Menschen im Blick, sondern auch Trauern um verpasste Lebenschancen, Mobbing am Arbeitsplatz, Übergang vom Arbeitsleben in das Rentnerdasein, Auszug der Kinder aus dem Elternhaus oder auch den Verlust der Gesundheit. Reiseziele in Gruppen von bis zu acht Personen sind der deutsch-niederländische Naturpark Maas-Schwalm-Nette am linken Niederrhein, die Ostfriesischen Inseln sowie Schonen in Südschweden, auch Sinai in Ägypten, um nur einige zu nennen.
Anfang eines jeden Jahres organisiert Martina Taruttis ein TrauDichReisen-Jahrestreffen im Kloster Thuine bei Lingen. Es soll dem Bedürfnis nach Kontakten, Erfahrungsaustausch und Kennenlernen entgegenkommen und die jeweilige Auslandsreise und neue spannende Projekte vorstellen. Das Treffen und die Reisen seien für sie ein voller Erfolg gewesen, meint Christiane zur Nieden aus Velbert, die schon viermal mit von der Partie war und dadurch wertvolle Erfahrungen und Freunde fürs Leben gewonnen hat.
Melitta Tilley

2 Antworten

  1. Allerseits,

    ja, es liest sich sehr aufschlussreich.
    aber ich sehe für mich allerdings keine Alternative dazu.
    Am 10.08.2022 verstarb mir für mich immer noch ungeklärte Todesursache , meine liebe Ehefrau im KH GV.
    Das ganze geschehene kommt immer näher auf mich zu.
    ich werde absolut nicht damit fertig.

    1. Hallo Peter Jansen,
      ich habe auf der Suche nach einem Weg für mein neues Leben, nach dem Tod meines Mannes am 16.7.2023, das Magazin66 gefunden. Ja, der Beitrag Trauerreisen ist von 2011 aber beim lesen der Zeilen von Hannelore Wozny war mein erster Gedanke… Das bin doch ich….
      Und dann habe ich gesehen, dass sie genau an Silvester geschrieben haben und dachte ich schreibe einfach mal.
      Für mich wäre das Reisen auf diese Art vielleicht der richtige Weg. Für sie nicht, wenn ich sie richtig verstanden habe. Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen in einem Kreis bei einer Trauerrunde über meine Gefühle
      zu sprechen Wie gesagt ich suche Alternativen um einigermaßen weiterleben zu können.
      Ihre Leidensgefährtin
      Astrid Münzner

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