
Der moderne, luftige Holzbau an der Hinteren Bleiweißstraße in Nürnberg lädt zum Eintreten ein. Hier gibt es Mittagstisch, Kaffee und Kuchen zu zivilen Preisen sowie ganz viel Spaß, Spiel, Sport, Unterhaltung, Bildung – und vor allem Kontakte.
Heute ist das Café gut besucht. Im hinteren Bereich ist eine Männergruppe dabei, sich für ein Tischtennis-Match bereit zu machen. Drei etwa 30-jährige Frauen machen sich auf den Weg zum Ausgang und in der Sofaecke begeht die Qigong-Gruppe eine kleine Feier an geschmückten Tischchen. Währenddessen steht Simona am Tresen, nimmt Bestellungen auf und reicht Cappuccino samt hausgemachtem Kuchen.
Ohne Bewirtung fand es das Stammpublikum nur halb so schön in seinem Bleiweiß-Treff. Es gab eine längere Durststrecke, bis Simona Leyzerovich im Juni 2024 die Leitung der Cafeteria übernommen hat. Für Julius Leib, Leiter des Seniorentreffs, ist das eine gute Lösung: »Konzeptionell und kulinarisch sind Simona und Koch Yannick eine echte Bereicherung für das Haus.« Obendrein wohnen beide auch noch in der Nachbarschaft, wie praktisch.
Café-Chefin bereichert mit neuem Angebot den Seniorentreff
Simona, Jüdin aus Russland, ist Künstlerin, Designerin und Gastronomin zugleich. Sie ist es gewohnt, sich zwischen verschiedenen Kulturkreisen zu bewegen. Allerdings: »Mit Älteren hatte ich vorher noch nicht zu tun. Das finde ich extrem spannend.«
Von Freunden hatte sie gehört, dass Yannick toll kocht – regional, saisonal, bio – und hat ihn an Bord geholt. Dass er »toll kocht«, finden auch Kunden. Wie die drei Besucherinnen, die gerade den Mittagstisch genossen haben. Isabelle, Nele und Katharina hatten sich hier zum ersten Mal zum Essen verabredet – »eine echte Entdeckung«, finden sie. Die jungen Frauen gehören altersmäßig nicht zur Zielgruppe. Sie arbeiten aber alle drei in der Nähe des Treffs und haben sich für die Zukunft vorgenommen, einmal in der Woche das Angebot zu nutzen.
Gäste kommen nicht nur aus Nürnberg
Manche Besucher kommen von weiter her. Roman (67) zum Beispiel hat im Magazin sechs+sechzig vom Seniorentreff gelesen. Daher kam der Impuls, immer dienstags und mittwochs zum Tischtennis-Match ins Bleiweiß zu fahren. »Ich habe in meiner Jugend viel gespielt und bin total froh, dass ich jetzt als Rentner wieder daran anknüpfen kann.« Den sportlichen Ehrgeiz dafür habe er und er witzelt: »Die Leistung steht nicht im Vordergrund. Aber sie steht.«
Hans dagegen schätzt besonders den sozialen Kontakt, nicht den Wettkampf. Er kommt aus Hersbruck ins Nürnberger Bleiweiß-Viertel. Sein Mitspieler Günther (70) fährt sogar aus Neuhaus/Pegnitz herein: »Ich arbeite gegen den Winterblues, da hilft die Bewegung ungemein.« Auch die Fortbewegung. Zugfahren ist ihm ohnehin eine lieb gewonnene Gewohnheit. »Ich habe 39 Jahre bei der Stadt Nürnberg gearbeitet und bin immer mit der Bahn gefahren.« Im Übrigen gebe es ein solches Freizeitangebot bei ihm in Neuhaus nicht. Also ist der Dienstag für Tischtennis im Bleiweiß reserviert.
Reserviert hatte an jenem Tag auch die Qigong-Gruppe ihren Lieblingsplatz im Sofaeck. Die Teilnehmerinnen brauchen die Bewegung und die Meditation, um innerlich zur Ruhe zu kommen – Übungen, die jede (fast alle sind Frauen) auch Zuhause machen kann. »Die meisten sind über 80«, sagt Ingrid (84), »junge Hüpfer sind willkommen!« Nachwuchs täte gut, denn sehr viele seien inzwischen verstorben. »Wir sind eine außergewöhnliche Gemeinschaft, gut im Integrieren neuer Leute und mit einer guten Übungsleiterin.«
Es ist wieder gemütlich
Das »gute Dutzend« der heute Teilnehmenden trifft sich auch mal zum Kaffeetrinken, wobei die Wohnsituation mitunter ein Thema ist. So erzählt Heidi (85): »Ich bin seit 13 Jahren im betreuten Wohnen bei der Tafelhalle und habe es keine Sekunde bereut. Langeweile kenne ich nicht. Es gibt genug Gelegenheiten, sich zu unterhalten, und wenn ich meine Ruhe will, mache ich einfach die Tür zu.«
Kein Zweifel, die Qigong-Gruppe hatte das Café absolut vermisst. Seitdem Simona das Zepter übernommen hat, ist es wieder gemütlich. Und Simona liebt die entspannte Atmosphäre, die bei Festen auch mal ganz ausgelassen sein kann. »Das Haus hat sein Stammpublikum, das merke ich an der Vertrautheit und der Zuverlässigkeit, mit der die Leute zu ihrer Gruppe kommen. Viele kennen es ja noch als Kulturladen. Es ist ihr Ort – eben wie ein Jugendzentrum, nur für Ältere.« Sie hoffe, dass sie selbst im Alter ein solches Angebot findet.
Doch bis dahin hat sie noch viel Zeit und will gestalten. Warum nicht hier vor Ort. Das Café könnte gemütlicher aussehen, indem etwa Trennwände den Raum kunstvoll aufteilen, so dass die Gäste »nicht wie ausgestellt dasitzen«. Es gebe ja Gründe, dass die Leute die Sofaecke lieben, der Mensch sucht die geschützte Nische. Gestalten will Simona auch bei den Kulturevents, gelernt ist gelernt in der Kunstvermittlung und -organisation.
Julius Leib leitet den Laden seit 2019 und ist heilfroh, dass die Gastronomie wieder läuft. »Sie macht mehr als 50 Prozent einer Begegnungsstätte aus, die ihren Namen verdient.« Auch wenn es ihm sehr wichtig ist, dem Stammpublikum seinen vertrauten Ort zu erhalten, möchte er das Bleiweiß weiter für ältere Menschen öffnen, die anderswo eventuell keine »eigenen« Orte haben. Mit Simona Leyzerovich als Kopf und Herz des Cafés sieht er den Treff diesem Ziel ein gutes Stück näher. Sie muss von den Einnahmen leben. »Selbst wenn der Laden brummt, ist es nicht leicht, mit der Gastronomie Geld zu verdienen – zumal bei Bio-Lebensmitteln plus sozialer Preisgestaltung.«
Der Treff selbst sieht sich als kommunale Begegnungsstätte der offenen Seniorenarbeit, mit dem Ziel, älteren Menschen Angebote zur kulturellen und gesellschaftlichen Teilhabe zu machen und Möglichkeiten zu bieten, aktiv etwas für die eigene Gesundheit zu tun. Die Themen dieser Bildungsangebote mit vielen Kooperationspartnern reichen von Handarbeit, kreativem Schreiben, spanischsprachiger Literatur bis hin zum Umgang mit dem Smartphone und regelmäßigen Kursen zu Gedächtnistraining, Yoga und Acrylmalen. Es geht darum, Zeit gemeinsam zu verbringen, erfüllend und beglückend, kurzum ein Gewinn an Lebensqualität.
Text: Angela Giese
Fotos: Mile Cindric
Info
- Treff Bleiweiß
- Hintere Bleiweißstraße 15
- 90461 Nürnberg
- Mo–Do 9–16.30 Uhr, Fr 9–15.30 Uhr, Sa + So geschlossen