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Blutdruck-Medikamente können im hohen Alter schaden

Alte und gebrechliche Patienten haben ein erhöhtes Sterberisiko und Gedächtnisprobleme, wenn ihr Blutdruck mit Medikamenten zu stark gesenkt wird. Dies haben Forschende der Universität Bern und der Universität Leiden (NL) in einer Studie entdeckt – und damit die offiziellen Empfehlungen zu Blutdrucksenkern relativiert.
Forscher haben herausgefunden, dass Blutdruck-Medikamente im hohen Alter schaden können. Foto: Pixabay

Alte und gebrechliche Patienten haben ein erhöhtes Sterberisiko und Gedächtnisprobleme, wenn ihr Blutdruck mit Medikamenten zu stark gesenkt wird. Dies haben Forschende der Universität Bern und der Universität Leiden (NL) in einer Studie entdeckt – und damit die offiziellen Empfehlungen zu Blutdrucksenkern relativiert.

Hoher Blutdruck mit Medikamenten zu senken hilft vielen Menschen und rettet Leben speziell bei über 60-jährigen Patienten. Gleichzeitig altert die Bevölkerung – Menschen über 80 sind die am schnellsten wachsende Altersgruppe und gleichzeitig die am schwierigsten zu erforschende. Das Patientenspektrum ist breit: vom schwerbehinderten 75-Jährigen im Pflegeheim bis zur 95-Jährigen, die sich noch sportlich betätigt. Blutdruckrichtlinien ignorieren aber häufig dieses breite Spektrum und machen – wie aktuell in den USA – eine allgemeingültige Empfehlung, bei allen über 60-Jährigen die Blutdruckwerte auf unter 130mmHg zu senken.

„Je tiefer je besser“ ist eine Empfehlung, die für viele Menschen auch im hohen Alter gilt, wie randomisierte Studien belegen konnten. Diese hätten jedoch einen Haken, meint Sven Streit vom Institut für Hausarztmedizin der Universität Bern (BIHAM): „Solche Studien schließen sehr alte und gebrechliche Menschen mit mehreren Krankheiten und mehreren Medikamenten aus. Damit sind die Resultate auch der besten Studien nur bedingt auf alte Menschen übertragbar.“

Hausärzte haben es aber mit dem ganzen Spektrum von sehr alten Menschen zu tun, also auch solchen, die von klinischen Studien ausgeschlossen werden. Die nun untersuchte Patientengruppe schloss alle Bewohner der Stadt Leiden in den Niederlanden ab 85 Jahren ein. Damit wurden auch Patienten erfasst, die an einer Demenz leiden, im Pflegeheim wohnen oder sonst gebrechlich sind. Die Forschenden fanden heraus, dass Blutdrucksenker bei diesen Patienten zu einem höheren Sterberisiko und zu einem schnelleren kognitiven Abfall führten. Die Studie wurde im Journal „Age and Ageing“ publiziert.

Resultate erstmals allgemein übertragbar

Sven Streit und seine Kolleginnen der Universität Leiden konnten bei den knapp 600 untersuchten Personen nachweisen, dass die Gesamtsterblichkeit und der kognitive Abfall höher waren, je tiefer der Blutdruck durch Blutdruckmedikamente gesenkt wurde. Dieser Zusammenhang bestand nur bei Menschen, die Blutdrucksenker einnahmen, und besonders bei denjenigen, die gebrechlich waren.

Die Forschenden bestätigten mit dieser Studie, was frühere Beobachtungsstudien bereits vermuten ließen. Allerdings ist dies die erste Studie, deren Resultate sich auf die gesamte Bevölkerung übertragen lassen. „Bei Hausärztinnen und Hausärzten setzte sich bereits im Vorfeld immer mehr die Überzeugung durch, speziell bei gebrechlichen Patienten eine zusätzliche blutdrucksenkende Therapie nur nach individueller Abschätzung von Nutzen und Risiko zu empfehlen“, sagt Streit. „Nun konnten wir belegen, dass sie damit richtig lagen – entgegen den offiziellen Empfehlungen.“

Die Brisanz dieser Studie überzeugte sowohl die Britische Geriatrische Gesellschaft, als auch das Schweizer Kollegium für Hausarztmedizin, welche das Team um Streit im Juni mit dem Forschungspreis 2018 im Wert von 10.000 Schweizer Franken auszeichnete.

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