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Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml in ihrem Amtssitz in Nürnberg. Foto: Michael Matejka
Die Menschen wollen heute gesund alt werden. Doch wie sollen sie dies bewerkstelligen? Schließlich ist es schon nicht einfach, eingefahrene Verhaltensweisen nach Jahrzehnten zu ändern und auf eine gesündere Lebensweise umzustellen. Die Bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml möchte die Bevölkerung unterstützen, selbstbestimmt und fit den Ruhestand zu genießen. Das »gesunde Älterwerden in einem selbstbestimmten Lebensumfeld« ist eines von vier Handlungsfeldern, denen sich die in Bamberg geborene CSU-Politikerin und gelernte Ärztin intensiv widmet. Was steckt dahinter? Die Ministerin (42) erläutert im Interview mit dem Magazin sechs+sechzig die Details.

sechs+sechzig: Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach, sagt eine alte Volksweisheit. Wie wollen Sie ältere Bürger motivieren, mehr für die Gesundheit zu tun?

Melanie Huml: Durch meine aktuelle Kampagne setze ich einen Schwerpunkt auf die Seniorengesundheit. Sie steht unter dem Motto: »Mein Freiraum. Meine Gesundheit. In jedem Alter.« Die Kampagne ist im Oktober gestartet und soll dazu motivieren, die mit Eintritt in den Ruhestand gewonnene Zeit auch für die Stärkung der Gesundheit zu nutzen. Unsere Botschaft ist: Es ist nie zu spät anzufangen!
Darüber hinaus wird es gemeinsam mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst, mit den Gesundheitsregionen plus und mit den Partnern im Bündnis für Prävention zahlreiche Aktionen in ganz Bayern geben, wie beispielsweise Gesundheitstage.

Der Bayerische Präventionsplan aus Ihrem Ministerium ist vor zwei Jahren veröffentlicht worden. Was sind bisher die wichtigsten Ergebnisse?
Ich freue mich sehr, dass sich bereits 124 maßgebliche Einrichtungen, Organisationen und Verbände in einer freiwilligen Selbstverpflichtung zu den Handlungsfeldern und Zielen des Plans bekannt haben, unter ihnen alle bayerischen Staatsministerien. Das ist ein großer Erfolg! Gemeinsam setzen wir uns dafür ein, die Gesundheit der Menschen in Bayern zu stärken.
Zugleich haben wir von staatlicher Seite nachhaltige Strukturen geschaffen, die zur Umsetzung des Plans beitragen, beispielweise das Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und die Einsetzung von Präventionsmanagern an den Bezirksregierungen. Auch die inzwischen 39 Gesundheitsregionen plus gehören dazu, für sie sind Prävention und Gesundheitsförderung ein verpflichtendes Handlungsfeld.
Darüber hinaus machen wir mit Schwerpunktkampagnen auf besonders dringliche Gesundheitsthemen aufmerksam. Zudem bauen wir eine Präventionsberichterstattung für Bayern auf. Die Berichte zu unseren Schwerpunktkampagnen sind bereits erste Bausteine dafür. Denn: Datenbasierte Prävention ist ein wesentliches Merkmal für die Qualität von Präventionsprojekten.

Ob ein Mensch gesund lebt oder nicht, darüber gibt es unterschiedliche Auffassung, was beim Thema Ernährung besonders deutlich wird. Manche essen traditionell Schweinebraten und Bratwurst, andere setzen auf Tofu und Salat. Gibt es Empfehlungen seitens des Ministeriums zur gesunden Ernährung im Alter?
Klar ist: Eine einseitige Ernährung ist nie empfehlenswert! Auf die Vielfalt kommt es an: Eine gesunde, ausgewogene Ernährung ist in jedem Alter wichtiger Bestandteil eines gesunden Lebensstils. Wer nicht zu viel Fleisch verzehrt und sparsam mit Zucker und Salz umgeht, tut sich selbst Gutes.

In den letzten Jahren ist es durch die Digitalisierung leichter geworden, seinen Gesundheitszustand auch als Laie besser zu kontrollieren. Wenn man auf digitale Helfer wie die Apple Watch setzt, um seinen Lebenswandel zu optimieren, zahlt der Bürger diese Geräte ausschließlich selber. Warum gibt es für die Anschaffung keine Zuschüsse?
Der Markt für solche digitalen Gesundheitshelfer wächst ständig, mit unterschiedlichsten Anwendungen. Was konkret angeboten wird und welcher Nutzen damit verbunden ist, ist kaum zu überblicken. Es gibt vor allem keine staatliche Kontrolle hierüber, sodass wir nicht wissenschaftlich fundiert sagen können, was tatsächlich gesundheitsfördernd ist und was nicht. Auch das Thema Datenschutz spielt eine wichtige Rolle, da nicht immer eindeutig erkennbar ist, wer auf die erfassten und zum Teil höchst sensiblen Daten zugreifen kann. Letztlich geht es um Angebote in der Regel weltweit tätiger Unternehmen, die sicherlich keiner staatlichen Unterstützung – auch nicht indirekt – bedürfen.
Der Freistaat Bayern investiert aber bereits seit vielen Jahren in die Digitalisierung im Gesundheitswesen – und zwar insbesondere in den Aufbau der Telemedizin. Bisher wurden dafür insgesamt mehr als 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Telemedizin ist ein wichtiges Element für die flächendeckende und hochwertige medizinische Versorgung in Bayern. Sie bringt die Spitzenmedizin durch die Vernetzung von medizinischen Kompetenzzentren mit kleineren Krankenhäusern oder niedergelassenen Ärzten direkt zum Patienten.
Ein richtungsweisendes Beispiel für den Benefit der Telemedizin sind die Schlaganfallnetzwerke. Inzwischen sind diese in ganz Bayern flächen­deckend ausgebaut.

Diese Frage betrifft auch den großen Bereich der Pflege von Angehörigen, in der es inzwischen viele technische Erleichterungen gibt, die sich aber nicht jeder leisten kann. Hier besteht Handlungsbedarf. Soll sich hier mittelfristig etwas ändern?
Das bayerische Gesundheits- und Pflegeministerium hat drei Fachtagungen durchgeführt, um die Digitalisierung in der Pflege weiter voranzubringen. Zentrale Aussage war: Beim neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, der zum 1.1.2017 im Zuge der Pflegereformen eingeführt wurde, ist die Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen Dreh- und Angelpunkt. Gerade Digitalisierung und Technik stärken dessen Selbstständigkeit und Fürsorge und entlasten professionelle Pflegekräfte und sonstige häuslich Pflegende.
Besonders der Pflegealltag bietet also für technische Assistenzsysteme eine Fülle von Einsatzmöglichkeiten: elektronische Beobachtung, die sturzgefährdeten oder an demenziellen Veränderungen leidenden Menschen hilft, damit sie selbst allein im Haus weiterleben können, das in-die-Wanne-Heben oder das Anfertigen der notwendigen Einkaufsnotizen. Es geht darum, die Verbindung von Mensch und Maschine so fließend zu gestalten, dass sie Teil des Alltags derer wird, die ihrer bedürfen.
Mein Ziel ist es, die Digitalisierung in der Versorgung und Betreuung zum Wohle der Patienten und Pflegebedürftigen voranzutreiben. Bereits jetzt lassen sich einige Maßnahmen mit Zuschüssen der Pflegeversicherung finanzieren, diese Möglichkeiten gilt es weiter auszubauen.

Bei den typischen Einschränkungen, die sich mit zunehmendem Alter einstellen wie Schwerhörigkeit, schwächere Sehkraft oder Zahnproblemen wurde in der Gesundheitspolitik lange darauf gesetzt, dass jeder dafür selbst verantwortlich ist. Zuschüsse zu Brillen, Hörgeräten oder Zahn-Implantaten gibt es so gut wie nicht mehr. Ist das noch zeitgemäß? Oder muss die Grundversorgung nicht vielmehr wieder eine Gemeinschaftsleistung werden?
Zunächst möchte ich klarstellen, dass die Versorgung mit Hilfsmitteln und Zahnersatz in der gesetzlichen Krankenversicherung auf Bundesebene geregelt wird. Aber der Vorwurf, die Grundversorgung sei nicht vorhanden, weil es so gut wie keine Zuschüsse mehr gebe, trifft so auch nicht zu. Seit 2004 hat der Bundesgesetzgeber in diesem Bereich keine leistungseinschränkenden Vorgaben mehr getroffen.
So erhalten Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung neben der kostenfreien zahnärztlichen Behandlung auch befund­orientierte Festzuschüsse zum Zahnersatz, wie beispielsweise Kronen, Brücken und Gebisse. Diese decken im Regelfall 50 Prozent einer üblicherweise medizinisch notwendigen und ausreichenden Versorgung.

Ihnen ist es wichtig, dass der Mensch mehr als früher selbst bestimmen kann, in welcher Umgebung er alt werden möchte? Doch das ist leider nicht immer einfach. Die Pflegereform stärkt die ambulante Versorgung. Aber manchmal ist ein Heimaufenthalt besser geeignet. Haben wir da noch die richtige Balance?
Die Altenpflege muss auch in einem neuen Koalitionsvertrag auf Bundesebene einen Schwerpunkt bilden. Es gilt, die Selbstbestimmung pflegebedürftiger Menschen stärker als bisher in den Vordergrund zu rücken. Sie müssen die Wahl haben, selbst über ihre Lebensgestaltung zu entscheiden und dabei entsprechend ihrer individuellen Rahmenbedingungen ein stationäres oder ambulantes Angebot in Anspruch nehmen zu können.
Dafür müssen die Versicherungsleistungen stärker als bisher an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet werden. Zu oft steht heute noch die formale Zuordnung der Lebensumstände eines Pflegebedürftigen zu einer bestimmten Wohnform im Vordergrund. Hier ist mehr Flexibilität erforderlich! Es muss uns gelingen, ambulante und stationäre Angebote der Altenpflege besser miteinander zu vernetzen. Unabhängig von der Wahl der Wohnform muss bei der Leistungsgewährung der Unterstützungsbedarf im Vordergrund stehen.

Interview: Petra Nossek-Bock, Elke Graßer-Reitzner
Fotos: Michael Matejka

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