Anzeige

Kerstin Trimble spürte dem Leben ihrer Großeltern nach und schrieb eine spannende Geschichte über sie. Foto. privat
Kerstin Trimble spürte dem Leben ihrer Großeltern nach und schrieb eine spannende Geschichte über sie. Foto. privat
Es ist eine Liebe gegen jede Vernunft: Theresa, eine junge Witwe, deren Ehemann Ludwig im Zweiten Weltkrieg ums Leben kam, verliert ihr Herz an Sam, den Afro-Amerikaner, der in Nürnberg als GI stationiert ist. Es sind die 1950-er Jahre: Junge Frauen, die mit »den Amis« ausgehen, stehen bei den Einheimischen unter Generalverdacht, während man in den Kasernen unverbindliche Liebschaften zwar toleriert, eine feste Verbindung zwischen einer weißen Frau und einem schwarzen GI entschieden ablehnt, schon gar, wenn ein Kind unterwegs ist. Dass Sam es ehrlich meint mit seiner Theresa und auch deren kleine Tochter Brigitte aufrichtig liebt, stößt auf Abwehr von allen Seiten.

Nicht zufällig überschreibt die Nürnberger Autorin Kerstin Trimble, die mit ihrer Familie in den USA lebt, ihren Roman mit »Transgression« – zu Deutsch Übertretung oder auch Grenzüberschreitung. Die zwei Hauptpersonen des Romans überschreiten mit ihrer Liebe eine unsichtbare Grenze und leben ihre Romanze unter schwierigen Bedingungen, auch wenn ihnen die nächsten
Verwandten und ein paar Freunde zur Seite stehen. Die Idee der Rassentrennung herrscht zu dieser Zeit in fast allen Köpfen – zum Glück gibt es Ausnahmen. Eine der rührendsten Passagen des Romans ist die Beschreibung der Situation in einem Nürnberger Bierkeller. Sam und seine ebenfalls schwarzen Kameraden werden vom Ober höflich als Gentlemen angeredet und wie willkommene Gäste behandelt. Einige Kapitel später geschieht erneut etwas Unglaubliches: Im Gedränge des Christkindlesmarkts hebt Sams Freund, auch er ein Schwarzer, ein kleines weißes Mädchen auf seine Schultern, damit es einen besseren Ausblick hat. Niemand der Umstehenden nimmt daran Anstoß. Für Sam unfassbare Momente.

Die turbulente Geschichte, in der auch die Kinder der Hauptpersonen in einen aufregenden Kriminalfall verwickelt werden, lebt von der Wirklichkeitsnähe und – für die Nürnberger Leserschaft – der Vertrautheit mit Schauplätzen in der Stadt. Theresa verdient sich ihren Unterhalt als Putzfrau in den Merrell Barracks (Südkaserne), wo sie ihrem Liebsten immer wieder begegnet. Wir erfahren, dass sie in der Nunnenbeckstraße wohnt und ihre Kinder auf der Wöhrder Wiese spielen; wir freuen uns, dass sogar das »Schlenkerla« in der Geschichte namentlich Erwähnung findet, ebenso die Buchhandlung Jakob.

Sprachliche Akrobatik gefragt

Ein zusätzliches Vergnügen beim Lesen der eigentlich schlichten Geschichte ist die Viersprachigkeit. Nicht nur, dass Kerstin Trimble die Kapitel ihres Buches abwechselnd in Deutsch und Englisch schreibt – ihre einheimischen Personen reden Fränkisch, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, während Sam einen zunächst gewöhnungsbedürftigen amerikanischen Slang spricht. Das verlangt ein wenig sprachliche Akrobatik, macht aber Spaß, vor allem, wenn man Gelegenheit hatte, der Autorin selbst bei einer Lesung zu lauschen.

Die gebürtige Fränkin, die ihr Abitur am Neuen Gymnasium in Nürnberg machte und in Passau studierte, lebt heute als Übersetzerin und Lehrerin mit ihrem Ehemann und zwei Kindern in der Nähe von Washington, D.C. Einmal jährlich begleitet sie eine amerikanische Schülergruppe nach Deutschland und verbringt anschließend privat noch etwas Zeit in ihrer Heimatstadt. Für ihren Roman »Transgression« bediente sie sich der Erinnerungen ihres Vaters und ihrer Großmutter, die in den 50-er Jahren den Book Store in den Merrell Barracks führte und sogar zum Honorary Captain der US-Army ernannt wurde. Ende Juni dieses Jahres folgte sie einer Einladung des Deutsch-Amerikanischen Instituts in Nürnberg und las vor einer begeisterten Zuhörerschaft, die der Autorin riet, ihren Roman als Hörbuch zu veröffentlichen, weil sich dadurch der Reiz der Mehrsprachigkeit erhöht. »Transgression« ist ein kleiner Roman über eine große Liebe, ein Buch über Rassenschranken und deren Überwindung, und darüber hinaus für die deutschen Leser eine anregende Übung, ihre englischen Sprachkenntnisse aufzufrischen.

Brigitte Lemberger

Kerstin Trimble, »Transgression – Der Mann an Ludwigs Stelle«, Transatlantic Passages 2015 – Books on Demand,
www.transatlantic.passages.com, Taschenbuch 11,99 Euro, übers Internet erhältlich, auch als E-Book für 5,99 Euro.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Skip to content