In Erlangen hat eigentlich nur eines überlebt: das Café Mengin am Schlossgarten. 1997 übernahmen die Brüder Ronald und Kai-David Groß den Familienbetrieb von ihrem inzwischen verstorbenen Vater. Die beiden sind vom Fach. Kai-David ist Konditormeister, Ronald ist Koch und Hotelkaufmann. Die Branchenkenntnisse wirken sich positiv auf den Betrieb aus und haben nach Überzeugung der Betreiber auch dazu geführt, dass sich das erstklassige Haus gehalten hat.
»Wir haben umgebaut, denn das Ambiente zählt«, sagt Ronald Groß. Die helle, freundliche Atmosphäre trägt dazu bei, dass sich die Gäste nicht nur im Sommer wohl fühlen, wenn sie draußen sitzen und den Blick auf die Parklandschaft genießen können. Zu jeder Jahreszeit kann man dort gut einkehren. Im Café Mengin finden sie alles, was momentan im Trend liegt, beispielsweise südländische Kaffeespezialitäten. »Den Espresso beziehen wir von einer kleinen italienischen Rösterei aus Florenz«, berichtet Ronald Groß. Vor einigen Jahren wurde die Küche ausgebaut. Inzwischen wird eine komplette Speisekarte angeboten, auf der sich Tagesgerichte wie Scholle mit Weißweinsoße finden, aber auch Klassiker wie ein Paar Wiener Würste. Drei Leute sind in der Küche beschäftigt, insgesamt 20 arbeiten in den verschiedensten Bereichen des Betriebs.
Für die Inhaber hat sich die Investition gelohnt. Sie haben den Anschluss an die junge Generation gefunden. Ihr Publikum bewegt sich hauptsächlich zwischen 30 und 65 Jahren, aber es kommen auch viele ältere Gäste. Der Betrieb läuft den ganzen Tag über. »Früh kommen Gymnasiasten zum Frühstück, nachmittags ältere Damen, aber auch Studenten«, schildert Ronald Groß. Der größte Erfolgsfaktor ist für ihn aber, dass der Betrieb in Familienhand blieb.
Schwierige Bedingungen
Weniger Freude bereiten ihm allerdings die Rahmenbedingungen, die es für seinen Berufsstand gibt. Wenn er daran denkt, wie schwer es junge Meister haben, sich selbstständig zu machen, fängt er unwillkürlich an zu schimpfen: auf die Banken, die nur noch selten jungen Geschäftsgründern einen Kredit geben; auf die Politik, die Rentner mit Steuern und Abgaben so belastet, dass sie weniger für Kaffee und Kuchen ausgeben können; auf die strengen Arbeitsgesetze und darauf, dass »die Mieten verrückt spielen«.
Was ihn wieder mit Deutschland versöhnt, sind seine Gäste. Die haben das frisch renovierte Café in den höchsten Tönen gelobt. »Gerade auch die Älteren zeigten sich sehr aufgeschlossen«, erzählt er. Und was das Geschäft angeht, ist er zufrieden. Gerade in der Vorweihnachtszeit, wenn die selbst gemachten Lebkuchen und Plätzchen sich verkaufen wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln, ist Neef überzeugt, dass das Café alten Zuschnitts eine Zukunft hat.
Sabine Rößler teilt seine Einschätzung. Sie führt gemeinsam mit ihrem Mann in Nürnberg das traditionsreiche Café Beer (es existiert seit 1864) in der Breiten Gasse. Sabine Rößler ist familiär mit dem Café Neef verbunden, aber das ist nicht der Grund, warum sie die Zukunft ihres Hauses ebenfalls positiv bewertet. »Es gibt einen Kundenkreis, der nicht im Stehen an der Theke abgefertigt werden möchte«, ist sie überzeugt. Viele Gäste würden sich von Fragen wie diesen zum Thema Kaffee überfordert fühlen: »Mit oder ohne Flavor – maxi, medium oder mini?« Da stünden sie lieber einige Zeit vor der reichhaltigen Tortenauswahl und würden sich in aller Ruhe entscheiden.
Schon früh um 8.30 Uhr, wenn das Café Beer öffnet, stehen die ersten Stammkunden vor der Tür, berichtet die Chefin. Gegen Mittag mischen sich die Einkaufsbummler mit den Angestellten aus den benachbarten Geschäften. Die einen legen ein Kaffeekränzchen zur Stärkung ein, die anderen krönen ihre Mittagspause mit einem Stück Kuchen. Besonders gerne werde die Agnes-Bernauer-Torte bestellt. Die setzt sich aus Schichten von Baiser und Nussfüllung zusammen. Wenn sie ausverkauft ist oder keine Johannisbeer-Baisers mehr da sind, dann gebe es schon mal lange Gesichter, erzählt Sabine Rößler.
Fröhlich geht es gerade im Café Liehr in der Nürnberger Jakobstraße zu. Das »lustige Kränzchen« ist mal wieder zu Gast. Die Damenrunde kennt sich seit der ersten Klasse und hält seitdem Kontakt. Bis zu 20 ehemalige Schülerinnen, die von 1941 bis 1949 die Schule in der Oedenberger Straße besuchten, treffen sich dort jeden zweiten Mittwoch im Monat. Die Damen, alle über 70, loben das reichhaltige Angebot, für das Rudi Liehr verantwortlich ist. Der 70-Jährige macht die Kuchen und Torten selbst, seine Frau Ruth führt das Café mit viel Engagement. Das strahlt aus, so dass sich das Kränzchen seit 14 Jahren dort wohl fühlt. Und diese Damen sind nicht die einzigen, die sich dort bestens über »Krankheiten, die Enkel, die alten Zeiten und ihre neuesten Pläne« austauschen. Fast jeden Tag genießen ein oder zwei Damenrunden dort Spezialitäten wie Rotweintorte. Auch für Diabetiker gibt es mehr als eine Sorte Kuchen.
»Strammer Max« kommt wieder
Nur mit einer großen Speisekarte kann das Café Liehr nicht dienen. Dafür ist die Küche nicht ausgelegt. Dabei kocht Ruth Liehr leidenschaftlich gerne. Deshalb gibt es manchmal eine Ausnahme, beispielsweise am Faschingsdienstag, wenn der Stammtisch der Karnevalsgesellschaft Buchnesia dort einfällt, um Schäufele zu essen.
So groß kocht Emil Davignon gar nicht auf. Der Betreiber des Cafés in der Ostermayr-Passage unweit der Nürnberger Lorenzkirche hat nur kleine Gerichte auf der Karte. Derzeit überlegt er, ob er die Königinpastete nicht wieder anbieten soll. Das zarte Blätterteiggebäck mit Kalbsragoutfüllung schmeckt vor allem Älteren. Sie bevorzugen ohnehin eher Kleinigkeiten. Toast Hawaii und Strammer Max erleben eine Renaissance. Außerdem finden sich auf der Karte noch wahre Raritäten wie das Herrengedeck (ein Warsteiner und ein Piccolo) und ein Damengedeck (Orangensaft und Piccolo).
Das passt zum Interieur des alteingesessenen Hauses, das 1956 eröffnet wurde und noch den Charme der 50er Jahre verströmt. Die Stammkunden lieben das plüschige Ambiente, zum Beispiel die um einen Lichthof gruppierten Tische im ersten Stock. Als Emil Davignon einmal einen Teppich im Eingangsbereich auswechseln wollte, protestierten einige Stammgäste. Sie meinten, die Patina gehöre zum Stil des Hauses.
Preise wie in den 60ern
Bei Karin Gerster im Cafe Schaller am Kirchenweg strahlt das Schaufenster den verblichenen Glanz der 60er Jahre aus. Das gilt auch für die Preise: Alle Suppen kosten 2,50 Euro, Frühstück ist ab 2,50 Euro zu haben. Dafür erhält der Gast eine Tasse Kaffee, Brötchen, Butter und Marmelade. Doch die Stammkundschaft ist rar geworden. Viele sind gebrechlich geworden und in ein Altersheim umgezogen. Von den Gelegenheitskunden könne sie nicht leben, zumal immer mehr Konkurrenz erwachse, sagt Karin Gerster. »Heute bieten Bäcker Wurstbrötchen an und Metzger Kuchen und Schokolade«, meint sie. Wobei sie ohne die benachbarte Metzgerei, die ihr viele Brötchen abnimmt, überhaupt nicht überleben könnte. Früher hätten die Kunden noch einen halben Käsekuchen ins benachbarte Klinikum als Dankeschön auf die Station geschickt, aber diese Order sei auch seltener geworden.
In Fürth sind die amerikanischen Kaffeehausketten noch nicht so häufig wie in Nürnberg zu finden. Wenn man Katharina Bandrowska zuhört, die mit ihrer Mutter das Café in der Moststraße betreibt, scheint die Branchenwelt in der Nachbarstadt noch in Ordnung zu sein. In dem beliebten und traditionsreichen Haus an der Adenauer-Anlage treffen sich »jüngere Paare und ältere Stammgäste zum Frühstück, zum Mittagsessen und natürlich, um einen der selbst gemachten Kuchen zu genießen«. Schwarzbeerkuchen und Käsekuchen sind die Favoriten. Es ist nicht das einzige Café im alten Stil, auch andere wie das im Fürther Stadtpark laufen gut.
Die im Unterschied zu Fürth deutlich schlechtere Situation in Nürnberg beschäftigt auch den mittelfränkischen Hotel- und Gaststättenverband, der in seiner jüngsten Sitzung über dieses Thema diskutiert hat, wie Geschäftsführer Gerhard Engelmann bestätigt. Er bedauert, dass für die Gruppe der Älteren immer weniger Kaffeehäuser existieren. »Da tun wir uns langsam, aber sicher schwer«, meint er. Daher könnte er sich vorstellen, dass sich der Mut lohnen würde, wenn jemand ein richtiges schönes Haus im Wiener Stil neu eröffnete. »Das verträgt Nürnberg«, ist er überzeugt.
Vielleicht liegt er mit dieser Einschätzung richtig. Denn eins ist sicher: Wenn jemand in ein Café geht, dann bestellt er nur selten eine leichte Torte, hat Ronald Groß vom Café Mengin beobachtet. Dann sagen die Kunden: »Aber bitte mit Sahne, denn heute gönne ich mir was.
Petra Nossek-Bock