Wenn der langjährige Partner stirbt, bedeutet das einen tiefen Einschnitt. Wie kann man mit der neuen Situation umgehen? Leserin Christine Eberle schildert die traurige, aber letztlich auch Mut machende Geschichte von der letzten gemeinsamen Reise mit ihrem Mann Karl-Heinz nach Botswana in das Städtchen Maun.
Das Ehepaar Eberle hatte vor gut 30 Jahren seine Liebe zu Afrika entdeckt. Seitdem bereisten sie als Individualtouristen immer wieder verschiedene Länder.
Er starb plötzlich. Wir waren beide früh aufgewacht. Die Nacht war so heiß gewesen in dem afrikanischen Land, auch die Einheimischen stöhnten seit Tagen. Andererseits, wir waren daran gewöhnt. Die Hitze machte uns nichts aus, wir liebten sie sogar. Hätten wir sonst den schwarzen Kontinent so oft besucht? ›Wollen wir noch vor dem Frühstück zum Fluss hinuntergehen, um die Vögel zu beobachten?‹, hatte er gefragt. Wohl, weil er schon wusste, dass ich es natürlich umgekehrt haben wollte. Erst frühstücken, dann Vögel beobachten. Eine liebevolle Unterhaltung, ein bisschen Neckerei und Übermut, weil wir so glücklich waren. Die Reise hatte bisher lauter Höhepunkte; was würde dieser Tag wohl bringen?
›Du bist immer noch eine schöne Frau‹, sagte er ein bisschen zusammenhanglos. Und wenig später, scheinbar zurückkommend zu der Frage, wie wir den Tag beginnen sollten: ›Bleib noch ein bisschen bei mir.‹ Also blieb ich noch ein bisschen bei ihm. Wenig später stand ich dann auf und schaute lächelnd zu ihm hinüber. Er lag da mit geschlossenen Augen. Sein Mund war leicht geöffnet, das Gesicht ausdruckslos und bleich. Ich wusste sofort was los war.
Als sie ihn hinaustrugen, ging ich mechanisch hinterher. Der Boden war mir weggebrochen, die Zeit war stehen geblieben, alles war unwirklich geworden.
Hatte er die Reise nicht besonders genossen? War sie nicht ein wunderbares Abenteuer gewesen? Erst gestern hatten wir eine kleine Wanderung in voller Sonne unternommen. Als wir die lange Brücke überquerten, war er zu Fuß gegangen, während ich gern das Angebot eines einheimischen Jungen angenommen hatte und mich mit der Fahrradrikscha hinüber bringen ließ. Aber er war ja immer eisern mit sich. ›Dieses Mal bin ich zufrieden mit mir‹, hatte er am Abend gesagt. Kein Husten wie so oft, kein Durchfall. Auch sonst nichts? Dem Anschein nach ja.
Als ich, später zu Hause ein bisschen zur Ruhe gekommen war und die Fotos anschaute, fiel mir sein tiefernstes, fast leidendes Gesicht auf. Merkwürdig, er war doch so freudig, warum war er auf den Fotos so ernst? Und nun erinnerte ich mich plötzlich an etwas, das mich manchmal fast unheimlich berührt hatte, das aber vage und schnell vorbei war. Sein ›Gut‘ Nacht‹ vor dem Schlafengehen hatte schon des Längeren einen seltsamen Beiklang gehabt. Als ob er weit weg wäre und aus der Ferne sprechen würde. Merkwürdig.
Ein deutlicheres Zeichen war sein Wunsch, in diesem Jahr ein zweites Mal nach Afrika zu fahren. Zweimal in einem Jahr hatten wir diese große Reise nie gemacht, schon aus Kostengründen. Nun war das Endgültige eingetreten. Für mich ein Verlust, über den ich kaum hinweg kommen kann. Wer würde in Zukunft noch Wärme in mein Leben bringen? Wer würde mich lieben, so wie mein Mann mich geliebt hatte? Niemand, da mache ich mir nichts vor.
Trotzdem: Das Leben geht weiter. Die geplante Reise nach Afrika findet statt. Eine alte Freundin wird mich begleiten, sie ist ganz unvermutet eingesprungen und freut sich schon darauf. Denn ich mache weiter, ganz nach seinem Vorbild. Ich muss jetzt lernen, allein zurechtzukommen, und die Zeit, die mir bleibt, selbständig zu gestalten.
Foto und Text: Christine Eberle
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