Auf Stollen, Lebkuchen, Glühwein, Spekulatius und Dominosteine freut man sich eigentlich erst in der Weihnachtszeit. Unsere Kolumnistin Brigitte Lemberger entdeckte erste Anzeichen für den Advent aber schon im August. Damit sie nicht wie Heinrich Bölls Tante Milla endet, hat sie sich ein festes Ziel gesetzt: Sich auf den Tag freuen, an dem der Weihnachtswahnsinn ein Ende hat.
27. August 2016 Heute ein gemütlicher Nachmittag. Ich habe mich vom aktuellen Weihnachtstisch im Supermarkt verführen lassen und mich mit Stollen und Lebkuchen eingedeckt. Zu Hause habe ich die Rollos runter gelassen, Kerzen angezündet und mich mit einer Tasse Tee auf dem Sofa zusammengekringelt. Später habe ich die Rollos wieder hochgezogen und bei noch 26 Grad den Sommerabend auf dem Balkon genossen.
30. August 2016 Per Post hübsches Angebot vom Reiseveranstalter erhalten: Eine Fahrt zur »Weihnachtskugelstadt« Lauscha mit Besuch des Lauschaer Kugelmarktes Anfang Dezember (keine Ahnung, wo Lauscha liegt!). Vielleicht sollte ich mich rasch entscheiden, sonst ist vielleicht kein Platz mehr frei? Die Kanaren sind über die Feiertage angeblich auch schon ausgebucht…?
12. September 2016 Immer noch fast 30 Grad. Die Schwimmbäder verlängern die Badesaison. Werbebotschaft eines Kindertheaters an einer auf dem Auto montierten Tafel gelesen: »Jetzt schon an Weihnachten denken!« – Ja wirklich, da sollte man nicht schlampen. Was machen die lieben Kleinen sonst an den Festtagen?
16. September 2016 Ha – das weiß ich jetzt, das mit den lieben Kleinen! Eine große Plakattafel am Zaun eines kulturbeflissenen Lokals in Gostenhof lädt ein: Bei »Tuff-Tuff-Tuff – die Eisenbahn« sollen es sich die Großen bei Glühwein und Maroni gut gehen lassen, »während Ihre Kleinen mit dem Nikolaus durch unseren Winterwald fahren«. – Winterwald??? Vermutlich zwischen den großen Kastanienbäumen des Biergartens herumkurven…? – Übrigens: Es sind noch immer 32 Grad und die Bäume stehen in vollem Laub.
Von festlichen Gaumenfreuden ist auch schon die Rede. Höchste Zeit, einen Tisch für die Weihnachtsfeier reservieren zu lassen. In meinem Sportverein haben wir heute darüber gesprochen.
18. September 2016 Es ist kühler geworden und regnet. Gemütlicher Nachmittag mit Tee, Spekulatius und Printen (ganz besondere Qualität aus dem Innenstadt-Kaufhaus). Es geht doch nichts über die Vorweihnachtszeit.
19. September 2016 Im Baumarkt gibt es Angebote für Weihnachtsdekoration. Ich habe der Versuchung widerstanden, mir neue Christbaumkugeln zu kaufen.
3. Oktober 2016 Habe mich am heutigen Feiertag mit Dominosteinen und Lebkuchen verwöhnt. Dabei über Weihnachtsgeschenke nachgedacht. Ich werde demnächst eine Liste anlegen. Der Kerzenständer, den ich im letzten Jahr von einer Freundin gekriegt habe, wäre vielleicht ganz nett für meine Tante…?
10. Oktober 2016 Wieder ein gemütlicher Nachmittag mit Tee und einem Stück Christstollen. Später leider die falsche Lektüre gewählt: Die Erzählung von Heinrich Böll, »Nicht nur zur Weihnachtszeit«. Ältere Leser werden sich vielleicht an Tante Milla erinnern, die darauf bestand, an jedem frühen Abend, den Gott werden ließ, die Weihnachtsfeier zu begehen. Unter dem geschmückten Weihnachtsbaum war die Anwesenheit aller ihrer Lieben Pflicht. Weihnachtslieder wurden gesungen, Plätzchen und Marzipan verzehrt. Gläserne Zwerge und silbrig gekleidete Engel bimmelten und raunten »Frieden«. An diesem Ritual, das täglich gnadenlos vollzogen werden musste, damit Tante Milla nicht gänzlich den Verstand verlor, zerbrach die ganze Familie. Du lieber Himmel, könnte das auch mir passieren? Ein halbes, vielleicht sogar ein ganzes Jahr Vorweihnachtszeit?? Und dann vielleicht für immer? Schrecklicher Gedanke.
11. Oktober 2016 Weil ich ein sowohl nachdenklicher als auch kreativer Mensch bin, habe ich beschlossen, mich ab sofort auf ein anderes Datum zu fokussieren. Schließlich will ich nicht wie Tante Milla im Weihnachtswahnsinn enden. So: Ich freue mich ab heute konsequent auf den 9. Januar 2017. Weil dann nämlich alles rum ist: Vorweihnachtszeit, Advent, Weihnachten, Silvester, Dreikönig, Geschenke-Umtauschzeit und die Schulferien. Und vor den ersten Osterhasen in den Läden bleiben wir auch noch ein paar Tage verschont.
Text: Brigitte Lemberger