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Obwohl die Menschen dank moderner Technik fast pausenlos miteinander reden, verstehen viele nur noch Bahnhof. Cartoon: Sebastian Haug
Obwohl die Menschen dank moderner Technik fast pausenlos miteinander reden, verstehen viele
nur noch Bahnhof. Cartoon: Sebastian Haug

Momentan überlege ich noch, welche Location ich am nächsten Wochenende beehren werde. Vielleicht tut ja die Stadt etwas für mich und meine Altersgenossen: Wie wär‘s mit einem Rathaus-Clubbing für Senioren?  Oder, ganz aktuelle Idee, ich besuche ein privates Supper-Clubbing, bei dem ich mit fremden Leuten speisen kann. Da gibt es angeblich Gerichte für Veganer oder Omnis – letzteres sind Menschen wie ich, die einfach alles essen.

von Brigitte Lemberger

Denken Sie jetzt bitte nicht, ich wäre total übergeschnappt. Nein, ich orientiere mich bloß an der Ausdrucksweise und den vorgeschlagenen Unterhaltungsmöglichkeiten unserer Zeit und habe die fabelhaften Begriffe meiner seriösen Tageszeitung entnommen sowie einem eleganten Modemagazin. Dort lese ich zum Beispiel den Urlaubstipp für den Hotspot Mykonos, ein exklusives Hideaway mit Helipad inklusive und Celebrity Watching. Wünschenswert wäre die Begleitung eines Part-time-Lovers, dann könnten wir, um es in jugendlichem Jargon zu sagen, echt tiefenentspannt chillen.

Schleunigst den Sprachschatz aufpeppen

Falls Sie wie ich vor einem halben Jahrhundert in der Schule Englischunterricht gehabt haben, so werden Sie mir beipflichten, dass uns einige wichtige Vokabeln fehlen. Oder wissen Sie etwa, was ein Starflyer ist oder bekommen Sie von Ihrer Enkelin ein Crazy Loop geschenkt, mit dem Sie Ihre Finger oder Ihre Arme schmücken? Angeblich ist das Crazy Loop ein Nachfolger des Scoubidou-Armbändchens, das aber schon wieder aus der Mode gekommen ist.

Sollten Sie ehrgeizig sein und Ihren Sprachschatz ein wenig aufpeppen wollen, empfehle ich die Lektüre der Werbebeilage eines Elektronik-Fachmarkts (beispielsweise des »Ich-bin-doch-nicht-blöd«-Ladens), dort kommen Sie richtig auf Ihre Kosten. Vielleicht sind Sie schlau und begreifen auf den ersten oder zweiten Blick, was ein HD Triple-Tuner mit WiFi Miracast und Ambilight ist (ich weiß es leider immer noch nicht). Ein hübsches Geschenk für Ihren Sohn wäre eventuell das Bike Case für sein iPhone oder eine Heart Rate GPS Watch für das Handgelenk.

»Der Einzigste, wo Deutsch kann«

Was mich ganz besonders entzückt, ist die Tatsache, dass auch die Kirche sprachlich neue Wege geht. In Fürth haben sich zwei Gemeinden zusammengetan und bieten Ökumene-to-go an. Das muss so ähnlich sein wie Brezen-to-go, die man neuerdings in Nürnberg kriegen kann. Finden Sie nicht auch: Irgendwie ist das alles richtig dick abnormal, was da läuft.

Lassen Sie mich ausnahmsweise an dieser Stelle einen Lese-Tipp geben (ganz im Ernst!).  Ein Nürnberger Journalist namens Andreas Hock hat ein Buch geschrieben. Es hat den schönen Titel »Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann?« und befasst sich mit dem Niedergang unserer Sprache. Erheiternd ist unter anderem der Anhang, in dem er schöne Wörter, die aus der Mode gekommen sind, in heutige Lingualquatsch-Sätze einfügt wie das nette alte »lustwandeln«: »Bin total blass, geh‘ mal lustwandeln, um ein paar Pigmente zu haschen.« Oder »obsiegen«: »Das Game war total heavy, aber am Ende haben wir krass obsiegt.«

Falls Sie im letzten November aufmerksam Ihre Zeitung gelesen haben, sind Sie natürlich auch über das Jugendwort des Jahres informiert. Wie der Langenscheidt-Verlag mitteilt, heißt es – darf ich Sie erinnern? – »Läuft bei dir« als Synonym für cool oder krass. Auf dem zweiten Platz rangiert »Gönn Dir« und soll so etwas wie »Viel Spaß« bedeuten. Platz drei ist »Hayvan« und kommt aus dem Türkischen – und jetzt geb´ ich´s auf. Beim besten Willen könnte ich keinen Satz zusammenbringen, in dem einer der drei Begriffe korrekt verwendet wird. So sollte ich mich besser raushalten als »Senfautomat« (Platz 4 in der Hitliste der Jugendsprache), also als jemand, der alles kommentiert und zu allem seinen Senf dazu gibt – eben als eine alte Schachtel, die nicht dabei mitwirken will, unsere schöne deutsche Sprache weiter zu verhunzen.

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