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Cartoon: Sebastian Haug
Cartoon: Sebastian Haug

Während ich behaglich zu Hause mein Rentnerinnendasein genieße, tobt draußen die Welt. Ich stelle es mir schlimm vor. Zum Beispiel in Berlin, wo die Werbe-und Marketingexperten der Deutschen Bahn um neue Konzepte ringen. Wie man weiß, hat unsere alte »Eisenbahn« gehörig an Attraktivität verloren, seit Fernreisebusse im ganzen Land herumkurven und ihre Fahrgäste schnell und vor allem preiswert ans gewünschte Ziel bringen. 50 Millionen Euro sollen dem Schienenunternehmen allein im ersten Halbjahr 2014 durch diese Konkurrenz entgangen sein. Da muss man gegensteuern, das ist jedem denkenden Menschen klar.
von Brigitte Lemberger
Aber keine Angst. Die hellen Köpfe unseres geschätzten Dienstleisters DB nähern sich bereits einer überzeugenden Lösung. Geplant ist, wie man hört und liest, das Internet-Angebot in den Zügen mit einem neuartigen Unterhaltungs-und Informationssystem zu verbessern.
Was für eine glanzvolle Idee, die unseren jungen, autismusverdächtigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern wie Musik in den Ohren klingen muss! Smartphone, Tablet oder Laptop werden das Telefonieren mit dem langweiligen alten Handy ablösen. Man kann, nachdem man seinen Freunden und Lieben zuhause zur Freude aller Mitreisenden lautstark mitgeteilt hat, wo man sich unterwegs gerade befindet, nunmehr per WLAN vernetzt, chatten, twittern, surfen ganz nach Begehr. Vielleicht gibt es auch eine App, die kurz vor dem Ziel akustisch ein Signal gibt, damit man das Aussteigen nicht verpasst. Daran sollte man arbeiten.
Gut bezahlte Gehirne
Übrigens, liebe Key Account- und Servicemanager der Deutschen Bahn, die Ihr Euch in Eurem Hochhaus in Berlin die gut bezahlten Gehirne zermartert, ist mir ein Gedanke gekommen, den Ihr vielleicht aufgreifen könnt. Vielleicht ist Euch zu Ohren gekommen, dass die Verkehrsmittel Eures Arbeitgebers nicht ganz so perfekt funktionieren, wie dies wünschenswert wäre. Ich, beispielsweise, habe für die Fahrt von Nürnberg nach Frankfurt kürzlich knapp vier Stunden gebraucht. Inklusive sehr langen Wartens und einigen Verzögerungen auf der Strecke. Irgendwie war die Stimmung bei mir und meinen Mitreisenden ziemlich mies, obwohl wir schließlich alle dort ankamen, wohin wir gewollt hatten.
Deshalb jetzt meine Idee: In allen größeren Städten richtet Ihr sogenannte Event-Bahnhöfe ein. Auf diesen Bahnsteigen entstehen »play-islands« (Ihr könnt Euch ja einen rasanteren Namen ausdenken!) also Spielinseln, die rund um die Uhr für fun and action sorgen. Man könnte doch dort kleine Wettbewerbe austragen, oder, falls das Geld reicht, Unterhaltungskünstler engagieren, die lustige Ratespiele veranstalten oder kleine Familien-Episoden vom begeisterten Publikum darstellen lassen, wie im Privatfernsehen. Allerdings würde ich vor allzu freizügigen Beiträgen warnen, um Menschen aus anderen Kulturkreisen nicht zu irritieren. Für ausländische Reisende lägen vielsprachige Audio-Kopfhörer bereit, die ihnen das Verstehen erleichtern. Auf jeden Fall würde das Warten auf den Zug richtig vergnüglich. Je größer die Verspätung, desto besser die Laune der Kunden. Dank der netten Gratis-Unterhaltung wären auch Eure zahlreichen Streiks locker wegzustecken.
Ziemlich viel verlangt
Um eventuellen Wetterunbilden zu begegnen und den Wartenden den größtmöglichen Komfort zu bieten, wie es ja stets Euer Bemühen ist, sollten die play-islands überdacht und mit einer Klimaanlage ausgestattet sein. Das ist, ich sehe es ein, ziemlich viel verlangt, denn die Sache mit den Klimaanlagen kriegt Ihr in den Zügen oft nicht hin. Aber im stationären Bereich, also auf den Bahnsteigen, müsste es zu schaffen sein. Ihr seid ja clever. Was ist, Strategen, geht Ihr ans Werk?
Ganz umsonst wäre dieser Service natürlich nicht zu haben, wie jedem einleuchten dürfte. Aber ich weiß schon, das ist Euer geringstes Problem: Die Kosten könnt Ihr auf die Fahrpreise umlegen. Das macht Ihr doch immer so.

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