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Daniel Derrer von der Firma Richter präsentiert eine breite Auswahl an modischen Strümpfen in den aktuellen Modefarben. Foto: Michael Matejka
Daniel Derrer von der Firma Richter präsentiert eine breite Auswahl an modischen Strümpfen in den aktuellen Modefarben. Foto: Michael Matejka

Die meisten von uns haben schon einmal oder auch mehrmals Bekanntschaft mit ihnen gemacht. Zuweilen waren es nur kurze Begegnungen, dafür aber ziemlich intime. Notwendig, aber nicht herbeigesehnt. Vorausgegangen waren immer schmerzhafte, nicht selten Leben rettende Operationen. Die Rede ist von Kompressionsstrümpfen.
Jede Patientin, jeder Patient bekommt sie nach einer OP verordnet und übergestreift. Der Zweck: eine Venenthrombose muss verhindert werden. Inzwischen haben solche Beinkleider, früher mit dem Attribut Gummi- oder auch Stützstrumpf »geadelt«, behutsamen Einzug in den Alltag gehalten.
Sieben Millionen sind betroffen
Die sogenannte Bonner Venenstudie von 2012 hat ergeben, dass 90 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland »Veränderungen an den Beinvenen« aufweisen. Jeder sechste Mann und jede fünfte Frau der untersuchten Gruppe litten an »chronisch venöser Insuffizienz«. Und bei rund 17 Prozent aller Deutschen befindet sich die Venenerkrankung bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Man geht davon aus, dass etwa sieben Millionen Deutsche Krampfadern haben. Und sie deuten auf eine Erkrankung der Venen hin. Die Stütz-strümpfe wiederum üben  Druck auf die Blutbahnen aus. Die Kompression sorgt nun dafür, dass die Venenklappen besser funktionieren. Dadurch kann das Blut wieder rascher zum Herz zurückfließen.
Müde Beine, geschwollene Knöchel, Kribbeln und Jucken oder auch stechende Schmerzen in den Beinen können erste Anzeichen eines Venenleidens sein. Weil der Blutkreislauf ins Stocken kommt, wird Wasser aus den Venen in das umliegende Gewebe gepresst. Es entstehen Schwellungen, vor allem im Knöchelbereich.
Als häufigste Therapie werden Kompressionsstrümpfe verordnet. Allerdings, so der Leiter der Studie, Professor Eberhard Rabe aus Bonn, würden Patienten, für die das Tragen von Kompressionsstrümpfen medizinisch notwendig ist, nicht immer mit diesem Hilfsmittel versorgt. Rabe betont: »Fast 80 Prozent der Teilnehmer unserer Studie, die an venösen Ödemen litten, und knapp 60 Prozent derjenigen mit fortgeschrittenen Venenerkrankungen hatten weder Kompressionsstrümpfe noch Kompressionsverbände.« Hintergrund ist, so die Studie, dass die Ärzte die Strümpfe noch zu selten verordnen. Und der Geschäftsführer des Industrieverbandes eurocom, Ernst Pohlen, warnt davor, dass durch eine Unterversorgung bereits erkrankter Menschen die Zahl schwerer Venenerkrankungen ansteige.
An den Krankenkassen kann das Verhalten der Ärzte nicht liegen. Die Geschäftsführerin der Deutschen Venen-Liga, Petra Hager-Häussler, unterstreicht: »Uns sind keine Probleme mit den Kassen bekannt. Kompressionsstrümpfe sind ein anerkanntes Hilfsmittel.«
Längst kein Makel mehr
Außerdem stellt man bei der Deutschen Venenliga fest, dass »immer mehr Menschen in Belastungssituationen, wie lange Reisen, sitzende oder stehende Tätigkeit« oder auch Frauen und Männer mit Übergewicht Kompressionsstrümpfe tragen. Die 55-jährige Geschäftsführerin erinnert: »Mit zunehmender Aufklärung über die Volkskrankheit Venenleiden und ihre Folgen, tragen immer mehr Menschen präventiv Kompressionsstrümpfe. Langsam wird Schluss gemacht mit dem alten Vorurteil, Krampfadern seien nur ein Schönheitsmakel.«
Zweifellos steigt mit zunehmendem Alter die Gefahr, an einem Venenleiden zu erkranken. Kompressionsstrümpfe, die durch Material und Passform einen gewissen Druck auf die Venen ausüben (es gibt vier Kompressionsklassen) verschaffen fraglos Erleichterung. Wichtig ist freilich, dass der Strumpf individuell dem Bein angepasst wird. Die Farbe dürfte dabei kein Hinderungsgrund mehr sein. Denn die fleischfarbenen, altbackenen Exemplare der frühen »Gummi-Strumpf-Jahre« haben das Zeitliche gesegnet. Heute schmiegen sich an gefährdete Frauen- oder Männerbeine farblich modische Beinkleider aus dem Sanitätshaus, der Apotheke oder der Facharztpraxis.
Doch trotz aller modischer Angleichung: keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Eine Nebenwirkung beim Kompressionsstrumpf ist die Schwierigkeit des An- und Ausziehens. Zu manchen älteren Menschen muss deshalb eigens der Pflegedienst kommen, weil sie es allein nicht schaffen – obwohl die einschlägigen Fachgeschäfte mit Tipps für »unbeschwerliches An- und Ausziehen« und für Anziehhilfen fleißig werben.
Dass Kompressionsstrümpfe den Makel des Unmodernen und Altbackenen verloren haben, zeigt auch die Tatsache, dass sogar Discounter solche Ware in ihrem Sortiment führen. Allerdings sind diese Beinkleider für Sportlerinnen und Sportler gedacht. Profis wie Marathonläufer ziehen sich diese Strümpfe nicht erst seit heute über ihre Waden, um ihre Leistung zu steigern; gewissermaßen als legales Dopingmittel.
Günter Dehn
 
 
 

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