Von »Unruhestand« kann man mittlerweile auch beim Fürther Dekan i.R. Michael Höchstädter sprechen. 1944 in Kulmbach geboren, aufgewachsen in einem Pfarrhaus, blickt der ehemalige Windsbacher Chorknabe auf bewegte Etappen seines Berufslebens zurück. Da waren die Studienjahre in Tübingen, Berlin und Erlangen, die Vikariate in Nürnberg-Langwasser und Coburg und schließlich die sehr prägende Zeit als Seelsorger im Coburger Land, wo sechs Pfarrer für 17 Kirchengemeinden zuständig waren. »Das war eine legendäre Aufbruchszeit. Damals ist viel in Bewegung gekommen, wir konnten Kirche gestalten, zusammen mit den Kirchenvorständen Konzepte und neue Ideen für das Gemeindeleben entwickeln«, schwärmt Höchstädter noch heute.
Es war aber auch die Zeit, in der die junge Familie mit den vier Kindern merkte, was es bedeutete, mitten drin im Dorf, in einem Kirchenareal mit großem Garten und einer Mauer drum herum zu leben. »Diese Mauer wurde zum Symbol für mich«, erinnert sich Höchstädter. »Man merkte schon, dass man als Pfarrer doch nie so ganz dazugehört. Da verstummten schon mal die Gespräche, wenn ich den Raum betrat, und ich fand heraus, dass es nicht einfach ist, sich den ländlichen Strukturen anzupassen.« Umso stärker war dann die Veränderung, die 1987 der Wechsel nach Nürnberg-St. Jobst mit sich brachte. »Da lebten wir im zweiten Stock einer Etagenwohnung, hatten keine Sonderstellung im Stadtleben, was uns sehr entgegen kam.«
Und doch endete das aktive Pfarrer-Dasein wieder in einem Pfarrhof mit Garten, »Typ Heimatmuseum«, wie Höchstädter schmunzelnd feststellt. Nur, dass das Areal um die Fürther Altstadt-Kirche Sankt Michael alles andere als anheimelnd war: »Mittlerweile zu zweit – die Kinder waren aus dem Haus – konnten wir dort nur den ersten Stock des großen Hauses bewohnen. Das Dachgeschoß und der Dachstuhl waren mit PCB und Lindan verseucht. Schadstoffe aus Holzschutzmitteln, wie sie in den 1980-er Jahren in sehr vielen Pfarrhäusern verwendet wurden.« Über sieben Jahre haben die aufwändigen Renovierungsarbeiten gedauert, und erst kurz vor der Pensionierung konnten die Höchstädters das pittoreske Umfeld der Stadtkirche wirklich genießen. »Dafür habe ich um die Kirche ein wunderbar unkompliziertes Zusammenleben kennenlernen dürfen, was den Entschluss, auch nach der aktiven Zeit in Fürth zu bleiben, in mir reifen ließ.«
Und so beschlossen die Höchstädters im Jahr 2009, das »Abenteuer Südstadt« zu wagen. Aber dort zogen sie sich erst einmal ins Privatleben zurück. Michael Höchstädter hat das sich auferlegte, einjährige »Predigtverbot« (fast) durchgehalten, er kümmerte sich um die Familie und genoss das freie, nicht durch offizielle Termine gesteuerte Leben.
Erst allmählich kehrten die Ehrenamtspflichten zurück. Heute übernimmt Michael Höchstädter wieder Predigtvertretungen, engagiert sich beim Kinderheim St. Michael, singt im »Pauls-Chörle« seiner Kirchengemeinde und trägt Gemeindebriefe aus.
Seine ganz große Leidenschaft gilt allerdings dem Kochen: »Schon meine Mutter hat immer gesagt, ich sei ein Topfgucker – und jetzt kann ich mit diesem Hobby auch noch Gutes tun.« Denn seit dem vergangenen Jahr engagiert er sich bei einem von der Diakonie, dem Fürther Dekanat und der Kirchengemeinde Heilig Geist finanzierten Projekt »GeH Hin« auf der Fürther Hardhöhe. Zusammen mit einem Team aus drei bis fünf Ehrenamtlichen kocht er jeden Dienstag im Gemeindehaus für Menschen aus der Kirchengemeinde und für Bedürftige. Je nach Jahreszeit stehen dann die unterschiedlichsten kulinarischen Köstlichkeiten auf dem Mittagstisch. Von Kürbissuppe und Kuchen, Krautfleckerl, Paprikaeintopf bis hin zum Kaiserschmarrn reicht die fantasiereiche Palette des Hobbykochs und seiner Mannschaft. 40 bis 50 Menschen treffen sich da zum gemeinsamen Mahl, und die Truppe genießt mittlerweile hohe Wertschätzung bei den Gästen. Schon heute freut sich die Runde auf das Weihnachtsmenü, für das sich der umtriebige Dekan in Ruhe etwas Besonderes einfallen lassen möchte.
Und damit ihm die Energie nicht verloren geht, besucht Höchstädter drei Mal die Woche ein Fitnessstudio. Das gibt (fast) volle Power fürs Engagement, das ihn jung hält – wie seine Kollegen i.R.
Die nächste Station lag dann sehr viel weiter weg: Zusammen mit seiner Frau ging Dieter Helbig in die Mission nach Afrika, zu den Massai nach Tansania. »Das hat mir sehr viel gegeben. Ich lernte eine andere Kultur kennen, bewunderte, wie allein durch Zurufen und Auswendiglernen die Geschichte eines Volkes von Generation zu Generation weitergegeben wurde.« Leider machte eine chronische Bronchitis einen Strich durch dieses afrikanische Missionsleben, und Helbig musste nach fünf Jahren zurück nach Deutschland. Er kam ins Dekanat Schweinfurt.
»Da hatte ich schon Schwierigkeiten, mich einzufinden, zumal das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld in der Nähe meiner Gemeinde lag und ich nicht umhin konnte, unangenehme Fragen nach der Sicherheit dieser Anlage zu stellen. Und so war es wohl die eleganteste Lösung, dass ich 1997 in den Ruhestand gehen konnte«, sinniert Helbig.
Also – wieder raus aus einem Pfarrhaus. Es folgte der Umzug nach Zirndorf. »Mir war es wichtig, in eine evangelische Gegend zu ziehen.« Dass sich in seiner neuen Gemeinde auch der Sitz der zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber befindet, kam dem Ehepaar Helbig sehr entgegen. Über Jahre waren sie dort aktiv, gaben Sprachunterricht und betreuten die Bewohner, er hielt Gottesdienste.
Und auch ein weiteres Schicksal lässt den kritischen Pfarrer bis heute nicht los: das der Palästinenser. Mit Leidenschaft berichtet Dieter Helbig von seiner Mitarbeit im Nürnberger Evangelischen Forum für den Frieden und dem im Haus Eckstein angesiedelten »Arbeitskreis Palästina«. Lebhaft erinnert er sich an die Diskussionen um eine Ausstellung in Nürnberg, die unter dem Titel »Nakba« (»Katastrophe«) aus palästinensischer Sicht »Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948« thematisierte. »Wir haben die umstrittene Ausstellung nach langem Hin und Her dann vor einem Jahr in einem Container am Rathaus präsentiert, das war für mich eine große Befriedigung«, sagt der engagiert
Wolfgang Butz, Jahrgang 1948, übt noch das Nichtstun und »Ankommen« im neuen Lebensabschnitt. Er wurde erst im August aus dem aktiven Pfarrdienst verabschiedet und ist damit einer von knapp 350 Pfarrerinnen und Pfarrern im Ruhestand im Kirchenkreis Nürnberg. Dabei ist für ihn sein Umfeld im malerischen Örtchen Happurg im Nürnberger Land nicht neu: Schließlich lebt Butz schon seit vier Jahren an der Seite seiner Frau im schmucken Pfarrhaus an der Hauptstraße. Und das braucht er auch nicht zu verlassen, denn Ursula Butz-Will ist in Happurg Pfarrerin, und an einen Umzug müssen die beiden erst denken, wenn im Jahr 2016 die aktive Zeit der »Frau Pfarrerin« vorbei ist. »Meine Frau hatte natürlich schon etwas Angst vor dem, was da jetzt kommt.« Butz schmunzelt. »Aber ich merke, ich gehe ihr anscheinend nicht auf die Nerven«, meint er erleichtert. Immerhin kümmert er sich an den zwei Bürotagen seiner Frau um das gemeinsame Mittagessen. Und da stehen dann schon einmal Lammrücken, Rehbraten oder Tafelspitz auf dem Tisch.
»Er ist ein Charakterkopf mit rauer Schale und weichem Kern, mit klarer Kante, er redet nicht lange drum herum, bei ihm weiß man, woran man ist.« So beschrieb der Nürnberger Regionalbischof Stefan Ark Nitsche Pfarrer Butz bei dessen »Entpflichtung« aus dem aktiven Dienst. Dieser endete nach 13 Jahren mit seiner Funktion als Pfarrer in der Nürnberger Gemeinde St. Peter und Dekan im Bezirk Nürnberg-Süd. Zuvor waren Neuendettelsau, Tübingen und München als Studienorte Stationen gewesen, außerdem Oberaltheim bei Würzburg für das Vikariat sowie die Pfarreien Nürnberg-Mögeldorf und Lautental bei Coburg. 1992 wurde Butz dann Studentenpfarrer in Nürnberg, eine Zeit, die ihn, wie er sagt, sehr prägte und aus der er nicht nur sein Hobby, das Motorradfahren, in den Ruhestand mitgenommen hat.
Und jetzt also ausschlafen, Zeitung lesen und Mußestunden? Ein Jahr Zurückhaltung in allen Kirchendingen hat sich der agile 65-Jährige auferlegt. Ob er das durchhält? Schließlich kann er nicht nein sagen, wenn ihn seine Frau bittet, die eine oder andere Predigt zu übernehmen. Auch der Weihnachtsgottesdienst im Altenheim seines früheren Sprengels wartet noch auf ihn, und die Mitglieder des Hospizvereins wollen ebenfalls, dass er weitermacht. Und dann gibt es ja auch noch den theologischen Gesprächskreis in St. Peter und die Lorenzer Kommentargottesdienste…
Da kommt ihm sein Motto »Gerade im Alter muss man raus, dann geht es einem besser« ganz gelegen. Um sich körperlich fit zu halten, bricht Wolfgang Butz alle zwei Tage zu einem »Powerwalking« um den Happurger Stausee auf, besucht einmal die Woche die Sauna. Im Sommer nutzt er die schönen Tage für Motorrad-Touren.
»Ich konnte meine aktive Zeit gut abschließen, nach einem fast 40-jährigen Berufsleben habe ich einen hohen Grad an Zufriedenheit erreicht, und ich freue mich jetzt auf das, was noch kommt«, sagt Butz. Und da denkt er natürlich auch an die geplanten Besuche beim Patenkind in Finnland oder ein Wochenende in der Champagne. Aus diesem Grund hat Herr Dekan in Ruhe auch wieder mit einem Französischkurs begonnen.
Karin Jungkunz
Fotos: Mile Cindric