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Universitäts-Professor Dr. Wolfgang Söllner vom Klinikum Nürnberg forscht dazu, wie es älteren Menschen mit psychischen Problemen besser gehen kann. Foto: Klinikum Nürnberg

Bei vielen älteren Menschen gehen körperliche Erkrankungen mit psychischen Problemen einher. Diese Menschen können laut einer Studie unter Federführung von Professor Dr. Wolfgang Söllner von einer teilstationären Behandlung profitieren, wie sie in der Psychosomatischen Tagesklinik für Ältere am Klinikum Nürnberg angeboten wird.

Kombination aus Psychotherapie und kognitivem Training
Die Studie des Chefarztes der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität/Klinikum Nürnberg, Wolfgang Söllner, hat bestätigt: Das bislang deutschlandweit einmalige Behandlungsangebot mit einer Kombination aus Psychotherapie, kognitivem Training, Anleitung zur Stressbewältigung und weiteren Therapieelementen wirkt sich positiv auf Lebensqualität, Wohlbefinden und kognitive Leistungsfähigkeit aus.

Der Effekt hielt auch noch acht Monate nach Ende der fünfwöchigen Behandlung an. Die „Psychosomatische Tagesklinik 55+“ mit neun Behandlungsplätzen wurde 2006 eingerichtet und ist eingebettet in das Zentrum für Altersmedizin im Klinikum Nürnberg, das von den Universitätskliniken für Geriatrie, Neurologie und Psychiatrie getragen wird.

Fragebögen zur Zufriedenheit in verschiedenen Lebensbereichen
Die Studie, die in Zusammenarbeit mit dem Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Jena entstand, wurde in der „Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie“ veröffentlicht. Für die Studie füllten 116 Patienten, die zwischen 2009 bis 2010 mit unterschiedlichen Beschwerdebildern an die Tagesklinik überwiesen worden waren, spezielle Fragebögen zu ihrer Zufriedenheit in verschiedenen Lebensbereichen aus. Darüber hinaus nahmen sie an Tests zu Merkfähigkeit und Denkgeschwindigkeit teil.

Die Befragungen und Tests fanden fünf Wochen vor Therapiestart, zu Beginn und Ende der Therapie sowie acht Monate später statt. Als Kontrollbedingung wurde der fünfwöchigen Therapie eine ebenso lange Wartezeit vorangestellt.

Es zeigte sich eine signifikant größere Verbesserung in allen untersuchten Bereichen der kognitiven Leistungsfähigkeit sowie der Lebensqualität unter der Therapie im Vergleich zur Wartebedingung. Die Effektstärken lagen größtenteils im mittleren Bereich, wobei die Werte in Bezug auf die Lebensqualität höher ausfielen als im kognitiven Bereich. Bei der Nachuntersuchung nach acht Monaten waren die erreichten Veränderungen von Lebensqualität und Kognition weitestgehend stabil.

Dass sich auch die psychischen Beschwerden der Patienten durch die Therapie verbessern, hatte bereits eine vorangegangene Studie (veröffentlicht in Journal of Psychosomatic Research) gezeigt.

Wechselwirkungen zwischen seelischem und körperlichem Befinden
Gerade bei älteren Patienten vermischen sich häufig somatische und psychische Beschwerden: Während eine plötzliche schwere Erkrankung wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Krebs – möglicherweise verbunden mit dem drohenden Verlust der Selbstständigkeit – eine psychische Krise auslösen kann, können umgekehrt Depressionen und Ängste die körperliche Gesundheit negativ beeinflussen oder sogar körperliche Beschwerden hervorrufen. „Stress- und psychisch bedingte Beschwerden werden gerade bei älteren Patienten häufig übersehen. Eine rein internistische Behandlung der körperlichen Symptome reicht dann aber nicht aus“, erklärt Studienleiter Söllner. „Die Psychosomatische Tagesklinik 55+ schließt diese Lücke, weil wir hier die Wechselwirkungen zwischen seelischem und körperlichem Befinden in den Blick nehmen.“

Die Studienergebnisse bestätigen die Eindrücke des Behandlungsteams sowie die Rückmeldungen der Patienten, bei denen besonders die Gruppenangebote wie das kognitive Training sehr gut ankommen. Eben dieses Gruppenerleben habe neben den verschiedenen Therapieelementen maßgeblichen Anteil am Behandlungserfolg der Tagesklinik, so Professor Söllner: „Viele ältere Patienten sind einsam oder von Vereinsamung bedroht, was psychische Probleme hervorrufen oder verschlimmern kann. Der Anschluss an die Gemeinschaft in der Tagesklinik und die sich daraus ergebenden Kontakte – man ist mit seinen Problemen ja nicht allein – steigern das Selbstwertgefühl und fördern die soziale Aktivität.“

Umfassendes Therapieprogramm stärken für die Zeit danach
Neben Gruppengesprächen und individueller Psychotherapie erlernen die Patienten Entspannungsübungen, Methoden der Stressbewältigung und Achtsamkeit, trainieren ihre geistigen Fähigkeiten und können ihren Gedanken und Gefühlen in der Gestaltungstherapie Ausdruck geben. Zudem erhalten die Patienten im Rahmen der sogenannten Psychoedukation die nötigen Informationen, um ihre Beschwerden besser verstehen und einschätzen zu können: Welche Folgen hat Stress für den Körper? Wie entstehen Depressionen und Angststörungen? Wie kann man zukünftig gegensteuern? Patienten mit behandlungsbedürftigen körperlichen Erkrankungen werden während ihrer Zeit in der Tagesklinik parallel internistisch betreut. Dazu besteht eine enge Kooperation mit dem Team der Altersmedizin um Professor Dr. Markus Gosch, Chefarzt der Medizinischen Klinik 2, Schwerpunkt Geriatrie.

Die Therapie soll gleichzeitig eine Art Starterpaket für die Zeit danach bieten: Die Ärzte und Therapeuten stellen mit jedem Patienten gemeinsam eine Liste mit Zielen auf, die das seelische Gleichgewicht stärken. Das kann ein ehrenamtliches Engagement sein, Kurse in der Volkshochschule, der Besuch einer Selbsthilfegruppe, die Wiederbelebung von Freundschaften und familiären Kontakten oder der Start einer ambulanten Therapie. Nach sechs Monaten treffen sich Patient und Therapeut wieder und besprechen, was umgesetzt wurde. „Diese Verabredung motiviert“, erklärt Söllner. Das bestätigt die Studie: Die meisten Patienten blieben noch acht Monate nach Therapie aktiv und hatten zum Teil ambulante Therapien begonnen. Ob dieser positive Effekt weiter anhält, soll eine Folgestudie mit zweijähriger Nachbeobachtungszeit klären.

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