Anzeige
Eine Frau liegt auf der Terasse einer Palliativstation. Foto: epd/Dethard Hilbig

Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) stellt in einer aktuellen Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt klar, dass eine neue strafrechtliche Regelung die Palliativversorgung von schwerstkranken Menschen auch dann nicht beeinträchtigt, wenn diese einen Sterbewunsch äußern.

Ärzte müssen daher weiterhin sorgfältig zuhören, wenn Patienten von Todeswünschen berichten, und deren persönliche Haltungen und Einstellungen respektieren. Entsprechende Äußerungen von Patienten dürften auch nicht dazu führen, dass notwendige symptomlindernde Maßnahmen wie z.B. die Gabe von hochdosierten Opioiden zur Schmerzbehandlung unterlassen werden, betont die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP).

„Grundsätzlich bestehen zwischen einer auf die Herbeiführung des Todes zielenden Suizidbeihilfe und einer Palliativversorgung von schwer kranken Menschen deutliche Unterschiede, die klar erkennbar und benennbar sind“, heißt es einleitend in der Stellungnahme der DGP. Dort zeigt die wissenschaftliche Fachgesellschaft aus palliativmedizinischer, ethischer und juristischer Sicht auf, welches Vorgehen unter dem neuen Recht unproblematisch und was möglicherweise bedenklich ist.

Dr. Oliver Tolmein, Rechtsanwalt, Sprecher der Sektion Rechtsberufe und Vorstandsmitglied der DGP, betont gemeinsam mit seinen Mitautoren: „Beendigungen von Behandlungsmaßnahmen wie maschinelle Beatmung oder Ernährung über PEG-Sonde auf Wunsch der Patienten sind zwar auch eine Form der ‚Sterbehilfe‘, in erster Linie stellen sie aber einen Abbruch einer vom Patienten-Willen nicht mehr getragenen ärztlichen Behandlung dar.“ Und: „Das sogenannte Sterbefasten (freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit) von Patienten medizinisch zu begleiten – und gegebenenfalls die erforderliche Basisversorgung zur Linderung von Durst- und Hungergefühlen zu leisten – ist ebenfalls keine strafbare Handlung. Die behandelnden Ärzte unterlassen hier eine vom Patienten oder der Patientin ausdrücklich abgelehnte medizinische Behandlung (Ernährung über Sonde oder durch Infusionslösungen). Es wird hier keine Beihilfe zum Suizid geleistet, sondern es werden insbesondere belastende Symptome gelindert.“

Unproblematisch sei es, wenn der Arzt dem Patienten auf Betäubungsmittelrezept einen Vorrat für 30 Tage bei einer nicht ganz niedrigen Opioiddosis verschreibe – und zwar sowohl als Dauer- wie als Bedarfsmedikation – so der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin Prof. Dr. Lukas Radbruch, Anästhesiologe und Palliativmediziner. Auch wenn sich ein Patient voraussichtlich das Leben nehmen könnte, wenn er alle Tabletten auf einmal nehmen würde, könne der Arzt dem Patienten nicht die erforderliche Schmerztherapie verweigern, weil jener in der Vergangenheit vielleicht einmal einen Todeswunsch geäußert habe.

Problematisch kann es in Zukunft für die sehr wenigen Ärzte werden, die gezielt öfter an einem ärztlich assistierten Suizid mitwirken. Sollten sie geschäftsmäßig, also auf Wiederholung angelegt, handeln, schützt der Arztberuf sie nicht vor Strafverfolgung nach Paragraph 217 des Strafgesetzbuches.

Fazit der im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Stellungnahme: „In der Palliativversorgung sollte die Bitte um Beihilfe zum Suizid auf jeden Fall ernst genommen und respektiert werden. Mit dem Patienten sollten über seine Wünsche und Ängste gesprochen werden und alternative Optionen zur Leidensminderung aufgezeigt werden. Dazu gehört eine umfassende Aufklärung über Möglichkeiten der medikamentösen und nichtmedikamentösen Schmerz- und Symptomkontrolle, unter Umständen auch über die Option der palliativen Sedierung, Therapieverzicht und Therapiebegrenzung sowie den freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit. Die neue gesetzliche Regelung berücksichtigt, dass in wenigen Einzelfällen von dem Behandler keine andere Möglichkeit gesehen wird als die Unterstützung beim Suizid, und lässt diese im Einzelfall und aus altruistischen Motiven heraus gewährte Hilfe straffrei.“

Vor gut einem Jahr war mit dem Paragraphen 217 ein gesetzliches Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung eingeführt worden, das insbesondere bei Ärzten Verunsicherung ausgelöst hat, inwieweit sie sich in der Begleitung und Behandlung von schwerkranken Patienten, die nicht länger leben wollen, strafbar machen könnten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Skip to content