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Brigitte Bührlen kümmerte sich jahrelang um ihre pflegebedürftige Mutter. Foto: Ester Neumann
Brigitte Bührlen kümmerte sich jahrelang um ihre pflegebedürftige Mutter. Foto: Ester Neumann

Wer ist Brigitte Bührlen? Die sympathische, dabei durchaus bestimmende Sechzigerin gründete im Jahr 2010 die Stiftung »Wir! Stiftung Pflegender Angehöriger« und stößt mittlerweile mit ihren Anliegen, Pflegenden mehr Gehör und Mitspracherecht zu verschaffen, auch bundesweit auf Resonanz und Beachtung.

Was veranlasst eine mit beiden Beinen im Leben stehende Physiotherapeutin, die 30 Jahre in der internistisch-hausärztlichen Praxis ihres Mannes in München-Grünwald tätig war, aus dem geschützten Kreis von Familie und Beruf herauszutreten und sich selbstbewusst und streitbar an eine kritische Öffentlichkeit zu wenden?

Ihr Hauptaugenmerk ist es, pflegenden und betreuenden Angehörigen mehr Mitbestimmungs- und Kontrollrecht zu verschaffen, etwa bei Gesetzesvorhaben, bei Pflegesatzverhandlungen oder bei Entscheidungen, die von Heim-und Angehörigenbeirats- sowie Fürsprechergremien mitgetragen werden.

Brigitte Bührlen erinnert sich an ihre Anfänge: »Ich habe meine demenzkranke Mutter sieben Jahre zu Hause und 13 Jahre in Heimen begleitet.« In dieser schweren Zeit wurde ihr klar, welchen Belastungen sie ausgesetzt war und wie sie mit ihren Problemen allein auf weiter Flur stand. Mit dem Tod ihrer Mutter begriff sie, »dass sich in der Angehörigen-Pflege in Deutschland etwas verändern muss. Ich habe mein Erbe genommen und die WIR! Stiftung gegründet.«

Ein mutiger Schritt, denn die Forderungen und Inhalte ihrer Stiftung unterscheiden sich von den Profilen jener Institutionen und Verbände, die die Gesundheits- und Pflegestrukturen in Deutschland prägen.

Es fehlt an Wertschätzung

»Pflegende Angehörige sind der größte Pflegedienst Deutschlands«, heißt es in dem kleinen Flugblatt der WIR-Vereinigung. Der anstrengende und verantwortungsbewusste Einsatz dieser Menschen erfahre aber kaum gesellschaftliche und keinerlei finanzielle Wertschätzung. Es sei höchste Zeit, diese eingefahrenen Strukturen aufzubrechen und transparent zu machen.

Ein Kampf gegen Windmühlen? Brigitte Bührlen nickt. Noch gebe es nicht überall genügend unabhängige Beratungsstellen, wie zum Beispiel in Nürnberg. Auch ein 24-Stunden-Notfall- und Sorgentelefon für pflegende Angehörige sei wünschenswert. Nicht nur bei Kommunalpolitikern etwa stoßen ihre Forderungen nach Transparenz über die Verwendung unserer in die Pflegeversicherung und zusätzlich privat gezahlten Gelder auf wenig Gegenliebe. Wenn sie bei Diskussionsveranstaltungen wieder konkrete Antworten auf ihre Fragen fordert, kommt sogar so mancher Profi ins Schleudern.

Pflegende Angehörige als gleichberechtigte Partner bei politischen, wirtschaftlichen und anderen Entscheidungen zu diesen Fragen zu akzeptieren, das ist keine leichte Kost für die in diesem Bereich Aktiven.
Und auch die Forderung nach einer gerechten Vergütung für geleistete Arbeit und die Anerkennung von Pflegezeiten ist in den politischen Gremien noch nicht so angekommen, wie von Bührlen und ihren Mitstreitern gewünscht. Auch wenn sich hier in den vergangenen Jahren durchaus einiges getan hat.

Brigitte Bührlen gibt zu, dass sie ihre Ziele nur mit einem immensen persönlichen Aufwand verfolgen kann. Die Nutzung der modernen sozialen Medien (Internet samt Facebook und Co.) erfordere eine rasche Reaktion auf aktuelle Problemstellungen. Vorträge, Lobbyarbeit, all das müsse man äußerst professionell angehen.

Und was sagt ihre Familie dazu? »Sie trägt meine Arbeit und mein Anliegen mit. Meine Tochter ist Vorstandsmitglied, mein Mann im Beirat. Die Unterstützung meiner Familie ist mir eine große Hilfe.« Aber auch, dass sie in der Verfolgung ihres Stiftungszweckes völlig unabhängig ist, keine öffentlichen oder anderweitig »gebundenen« Gelder beantragen muss, kommt ihr entgegen.

Und so findet ihre Arbeit mittlerweile auch bei den Regierenden in Berlin Gehör. Sie wurde im vergangenen Jahr von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig in den Beirat »Vereinbarkeit Pflege und Beruf« berufen. Sie bekommt Einladungen als Referentin zu Pflege-Veranstaltungen. Damit kann sie pflegenden Angehörigen eine Stimme verschaffen und darauf hinweisen, dass die Rahmenbedingungen ihres Einsatzes verändert werden müssen.

Information

WIR! Stiftung pflegender Angehöriger
Ickstattstraße 9, 80469 München
Tel. (089) 409 079 05, Mobil 0176 24 43 22 28, Fax (089) 409 079 07
E-Mail: kontakt@wir-stiftung.org
Homepage: www.wir-stiftung.org

Im Jahr 2013 lebten in Deutschland 2,63 Millionen pflegebedürftige Menschen. Etwa 1,2 Millionen von ihnen wurden allein durch Angehörige versorgt, um 615.000 Menschen kümmerten sich die Angehörigen mit der Unterstützung ambulanter Pflegedienste. Darüber hinaus nennt die Statistik der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege noch 13.000 Pflegeheime und 12.000 Pflegedienste, die Frauen und Männern betreuten, die nicht mehr alleine klar kamen. Tendenz in allen Bereichen: steigend.

Text: Karin Jungkunz

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