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RESSORT: sechs+sechzig DATUM: 23.12.15 FOTO: Michael Matejka MOTIV: Museum Kühnertsgasse / Dr. Lauterbach ANZAHL: 1 von 17 "Veröffentlichung nur nach vorheriger Vereinbarung"
FOTO: Michael Matejka
Museum Kühnertsgasse, Inge Lauterbach

Sie gehörte einst zum Laufer Stadtbild, die Messer- und Werkzeugschmiede der Firma Bär in der Altdorfer Straße 24. Als im Jahr 1978 die Straße ausgebaut wurde, mussten das Haus, die komplett eingerichtete Werkstatt und Nebengebäude der Erweiterung weichen.

Um 1850 gegründet, hatte die Bär’sche Schmiede nach über 100 Jahren keine Zukunft mehr. Abgebaut landete sie im Freilandmuseum in Bad Windsheim. Als die Nürnberger Altstadtfreunde vor fünf Jahren ihr Museum in den drei Häusern der Kühnertsgasse 18 bis 22 unweit der Lorenzkirche eröffneten, bekamen sie aus Bad Windsheim, gewissermaßen als Morgengabe, die Messerschmiede geschenkt. Dort kann die Dauerleihgabe, originalgetreu im Haus Nummer 20 aufgebaut, nun bewundert werden.

Es war die erste Werkstatt, die ins Handwerker-Museum nach sechs Jahren Bauen, Sanieren, Forschen und Tüfteln einzog. Schließlich haben die Altstadtfreunde den Anspruch, ihre Häuser der Gründerzeit entsprechend bis ins kleinste Detail wieder herzurichten. Und das dauert…

Es war ein glücklicher Umstand, dass die Schmiede sich in die Nürnberger Handwerks-Geschichte einfügte. Wohl nur wenige Nürnberger wissen, dass ihre Stadt einst ein Zentrum der Messerfertigung war. Allein auf der Lorenzer Seite lagen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts 162 Werkstätten. Pro Jahr wurden bis zu 4,5 Millionen Messer hergestellt und in ganz Europa verkauft. In den Häusern der Kühnertsgasse befanden sich über Jahrhunderte hinweg im Erdgeschoss die Werkstätten von Rot-, Schwarz-, Klingen- und Zirkelschmieden. Die darüber liegenden Räume dienten als Kochstelle sowie als Schlaf- und Wohnstuben.

Wenn die frühere Vorsitzende der Altstadtfreunde, Inge Lauterbach, Besucher durch die drei miteinander verbundenen Handwerkerhäuser aus dem 14. und 15. Jahrhundert führt, bekommt man eine Ahnung davon, mit wie viel Herzblut und historischem Sachverstand die promovierte Naturwissenschaftlerin ihre ehrenamtliche Aufgabe als »Museumschefin« wahrnimmt. Unterstützt wird sie dabei von ebenfalls ehrenamtlich tätigen Altstadtfreundinnen und –freunden.

In akribischer Kleinarbeit stets auf historische Genauigkeit bedacht hat man die drei Häuser, die als einzige von den Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg auf das Lorenzer Viertel nahezu gänzlich verschont geblieben waren, saniert und ausgestattet. Inge Lauterbach ist heute noch der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Nürnberg dankbar, dass sie sämtliche Abbruchanträge des ursprünglichen Besitzers tapfer abgelehnt hat. Entnervt hat er den Altstadtfreunden das Ensemble schließlich für die symbolische Summe von einem Euro überlassen. Die Auflage: zeitnaher Baubeginn der Sanierungsarbeiten.

So kann der Besucher des 21. Jahrhunderts erfahren, wie Handwerker und ihre Familien vom Mittelalter bis zum Biedermeier arbeiteten und lebten. »Wichtig war uns auch die Einrichtung der Wohnstuben auf der Grundlage der jeweiligen Epoche«, sagt Inge Lauterbach.

Zu seinem fünfjährigen Bestehen hat sich das Altstadtfreunde-Museum an eine Sonderausstellung gewagt. Noch bis zum 22. Mai können sich die Besucher vom »Glanz im Alltag« blenden lassen. Der »Brass Collectors Club Germany« (BCCG) hat dem Museum aus seiner umfangreichen Messinggeräte-Sammlung eine Auswahl von etwa 100 Objekten zur Verfügung gestellt.

Ein typisches Messingprodukt in den kalten Schlafstuben des 17. Jahrhunderts waren Bettpfannen. Im Winter wärmten die reich verzierten, flachen, langstieligen Behälter das Bett. Sie waren mit glühenden Holzkohlen gefüllt. »Die aber später wieder herausgenommen wurden«, versichert Inge Lauterbach. Abgelöst wurden diese Wärmequellen von den Wärmeflaschen. Vielleicht erinnern sich noch manche Senioren an ihre Kindheit nach dem Krieg, in der Wärmflaschen aus Kupfer die Bettstatt ein wenig vorwärmten?! Mit glühenden Holzkohlen gefüllte Messingkugeln als Handwärmer – die bürgerliche, aber auch bäuerliche Gesellschaft kam ziemlich aufgewärmt durch die kalte Jahreszeit. Und für die innere Wärme sorgten gemütliche Stunden mit aus kunstvoll gestalteten Kännchen und Kannen ausgeschenktem Tee, Kaffee oder Kakao.

Der Bezug zu Nürnbergs Messingtradition darf nicht fehlen. Um Draht ziehfähiger und weniger spröde herzustellen, entwickelte man zum Beispiel einen zweiten Messing-Schmelzprozess. Und die erste Werkstatt im Haus Nummer 18 war eine Rotschmiede, in der unter anderem auch Messing-Leuchter hergestellt wurden.
Günter Dehn; Foto: Michael Matejka

Das Museum in der Kühnertsgasse 18-22 in Nürnberg, hat Mi, Sa, So von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Sonderführungen auf Anfrage, Tel.: 0911 / 80 19 73 03

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