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Senioren im Museum für Kommunikation. Foto: Michael Matejka
Hightech von gestern im Museum für Kommunikation in Nürnberg. Foto: Michael Matejka

Gemeinsam bringen sie es auf deutlich mehr als 200 Dienstjahre, alle absolviert bei der Deutschen Bundespost oder ihren Nachfolge-Unternehmen. Sie haben viele Wandlungen erlebt, so manche Neuerung kommen und gehen sehen. Rainer Eck (66) etwa betreute deutschlandweit die Telefonhäuschen; Gerda Korneck (74) vermittelte als »Fräulein vom Amt« jahrelang ungezählte Telefongespräche. Und Werner Hebbecker (69) führte als Mitarbeiter im »Zentrum für Kartenanwendung« die Telefonkarten mit ein. Was zunächst als innovativ galt, war nach zehn Jahren tot – das Handy hatte den Markt erobert.
von Annika Peißker
Wer mit Eck, Korneck, Hebbecker und ihren Kollegen zusammensitzt, kann sich stundenlang Geschichten erzählen lassen. Geschichten aus alten Zeiten. Doch was fangen die ehemaligen Postler heute mit ihren Erfahrungen an in einer Zeit, in der die Telefonie längst digital funktioniert? Sie stellen ihr Wissen ehrenamtlich zur Verfügung – im Museum für Kommunikation Nürnberg (MKN).
Vor sieben Jahren hat sich dort lose der »Freundeskreis des MKN« geformt; inzwischen ist daraus ein sehr agiles Gremium erwachsen, das das Programm des Museums mit eigenen Angeboten unterstützt. So bieten die Senioren sechs verschiedene Führungen durch die Ausstellungsräume an, dazu kommen ein Dutzend Spaziergänge und Fahrradtouren durch Nürnberg, in denen die Postgeschichte lebendig wird. Auf einen Stamm von gut 20 ehemaligen Kollegen kann Freundeskreis-Sprecher Rainer Eck zurückgreifen; knapp zehn Senioren bilden den harten Kern, der sich regelmäßig trifft und über Neuerungen beratschlagt.
»Die Post war damals eine große Familie«, erzählt Eck. Alle aus dem Freundeskreis waren zeitweise als Lehrende an der Fernmeldeschule in Nürnberg aktiv gewesen. »Das schweißt zusammen«, berichtet Eck. Er engagiert sich außerdem als Zweiter Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Post- und Telekommunikationsgeschichte (DGPT) in der Region Süd. Zu diesem Verein gehören bundesweit etwa 120.000 Mitglieder – viele von ihnen Ex-Postler, die als eine ihrer Aufgaben die drei Kommunikationsmuseen in Deutschland unterstützen. In Nürnberg sind die Museumsverantwortlichen mehr als dankbar für die Aktivitäten der Ehrenamtlichen. »Sie sind das praktische Leben und können aus einem Schatz an Erfahrungen berichten. Da bekommen Führungen ein ganz anderes Maß an Authentizität«, lobt MKN-Sprecherin Vera Losse.
Grauer Mantel mit roter Bordüre
Zum Beispiel in der Führung »Fräulein vom Amt«: Wenn Gerda Korneck ihren grauen Mantel mit roter Bordüre überstreift und sich an die noch original aufgebaute Handvermittlungsanlage setzt, scheint sie in die Anfangsjahre ihrer Berufszeit zurückzukehren. »Hier Fernamt Platz zwei. Was hätten Sie gern?«, sagt sie mit sanfter, aber offizieller Stimme. Dann beginnt sie, die Steckverbindung herzustellen und dabei ihren Zuschauern zu erzählen, wie eine Lampe anging, sobald die Verbindung stand, wie auf einem Gesprächsblatt der Anrufer, der Angerufene und die exakte Zeit notiert wurden – um damit hinterher die Telefonkosten abrechnen zu können. Und wie die Fräuleins schon hin und wieder mal in die Gespräche hineinhörten. »Wir mussten ja überprüfen, ob das Gespräch noch andauert; sonst konnte man die Leitung wieder freigeben.« Was ihr da zu Ohren kam, gibt die 74-Jährige bis heute nicht preis. Betriebsgeheimnis. Dafür erzählt sie freimütig, dass die Fräuleins schon mal ihre Dienstkleidung ablegten, wenn die Aufsicht weg war. »Die Schürzen waren wirklich nicht schön, und sie kitzelten immer so.«
Im Auslandsfernamt in Würzburg war Korneck außerdem für internationale Verbindungen zuständig. Die dort stationierten GIs wollten so oft wie möglich nach Hause telefonieren und nahmen dafür auch einige Stunden Wartezeit in Kauf. Allein der Verbindungsaufbau in die USA konnte zwei bis drei Stunden in Anspruch nehmen, schließlich beschäftigte man damit etwa zehn Personen dies- und jenseits des Atlantiks.
1966 vermittelte Gerda Korneck ihr letztes Amt von Hand. Seither ist die Technik weitgehend passé und nur noch im Museum zu bewundern. Dass das MKN noch eine funktionierende Handvermittlung vorzeigen kann und zusätzlich zwei mechanische Vermittlungsanlagen aus den 1920-er und 1950-er Jahren in Betrieb hat, ist ebenfalls dem Freundeskreis zu verdanken. Denn als das Museum 2010 grundlegend umgebaut wurde, kannte sich keiner mehr so recht mit der alten Technik aus; ein Umzug der Anlagen schien nicht machbar. Da sprangen Rainer Eck und seine Kollegen ein. »Über Wochen hinweg haben sie alle Anlagen abgebaut, die Verkabelungen dokumentiert und alles so wieder hergestellt, dass man damit tatsächlich telefonieren kann«, berichtet Vera Losse.
»Wir sind eben die letzten Mohikaner, die diese Technik noch betreuen können«, sagt Hubertus Scharrer und lacht. Als er 1967 in den Fernmeldedienst der Post eintrat, begann er als »Schachtschmierer«, wie er sagt, und arbeitete sich zum Anlagenentstörer hoch. Schon 1991 war er – damals damals noch offiziell in Diensten der Deutschen Bundespost – an einem Umbau des Nürnberger Museums beteiligt. Bis heute geht dem 69-Jährigen im Freundeskreis der Ruf voraus, alles reparieren zu können – vom Fön über die Waschmaschine bis hin zum Telefon.
Wie funktioniert Skype?
»Deshalb würden wir nächstes Jahr gern ein Reparaturcafé mit ihm anbieten«, verrät Rainer Eck. Denn »nur« mit ein paar Führungen begnügt der Freundeskreis sich schon längst nicht mehr. Vor einiger Zeit verschrieb man sich zum Beispiel auch den neuen Medien: Auf Ecks Initiative hin wurden Kurse für Senioren zum Umgang mit Internet und Tablet-Computer angeboten. In jeweils drei Stunden erfahren sie, was ein Tablet überhaupt ist und wie man damit umgeht, wie die Videotelefonie Skype funktioniert oder wie man Fotos und Videos mit dem Gerät bearbeitet. Anschließend können die Teilnehmer das Erlernte vor Ort, in dieser Umgebung unter Gleichaltrigen, ausprobieren.
»Bei diesen Kursen sind wir so überrannt worden, dass ich mir bald Hilfe holen musste«, erzählt Eck. So stieß Wolfgang Bergmann (61) zum Team. Gemeinsam zeigen die beiden Ex-Postler ihren Kursteilnehmern nun, »wie die Technik das Leben leichter machen kann, zum Beispiel wenn man Gesundheits- oder Reise-Apps einsetzt«, sagt Rainer Eck.
Ob sie Senioren mit modernen Medien vertraut machen oder junge Leute in die Historie mitnehmen: Die Ehrenamtlichen aus dem Freundeskreis werden an vielen Ecken gebraucht. So lässt auch die Telekom regelmäßig ihre neuen Azubis von den erfahrenen Kräften schulen. Wolfgang Busch (67) zeigt ihnen dann im Detail, wie an der Vermittlungsanlage aus den 1920-er Jahren bei jeder gewählten Ziffer eine technische Einheit anspringt und den Anrufer zur richtigen Verbindung lotst. Jeder Wählvorgang rattert hörbar.
Dann bringt er seine jungen Zuhörer mit Zahlen zum Staunen: Zu Zeiten, als Telefonie noch analog funktionierte, waren etwa 200 Betreuer allein in Nürnberg tätig, um das Ortsnetz in Stand zu halten. »Heute sind es noch drei für ganz Mittelfranken«, sagt Busch. Denn inzwischen funktioniert alles digital. An einer modernen Anlage zeigt Busch, dass man heutzutage an ihr weder Geräusche hört noch Bewegungen sieht. Doch dass das alte Wissen erhalten wird, findet er wichtig. Gerade angehende Fachleute sollten über die Historie Bescheid wissen getreu dem Motto »Zukunft braucht Herkunft«.

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